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Die Hexen - Roman

Die Hexen - Roman

Titel: Die Hexen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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schrumpfte und schließlich ganz erstarb.

Die Wahrheit und kein Ausweg

    Ravenna erwachte zwischen blütenweißen, frisch gestärkten Laken und wunderte sich im ersten Augenblick, wie sie in diese Kammer gekommen war. Seufzend rollte sie auf den Rücken. Die Sonne schien durchs Fenster und sie hatte gut geschlafen – was kein Wunder war, denn außer Vogelgezwitscher und entferntem, fröhlichem Mädchengeplapper war nichts zu hören. In ihrem Schlafzimmer i n der Petite France wurde sie dagegen regelmäßig vom Hupen ungeduldiger Pendler geweckt, vom Rattern der Eisengitter, die vor Geschäften und Cafés hochgezogen wurden, und vom Tuckern der Ausflugsschiffe, auf denen sich Touristen durch die Altstadt gondeln ließen.
    Dann fügte sich die bruchstückhafte Erinnerung des vergangenen Abends zu einem Ganzen und mit einem Ruck fuhr sie hoch. Ihre Regenjacke lag vor dem Fußende des Betts auf dem Boden, der Pullover war staubig und voller Pferdehaare, die Stiefel standen neben der Tür. Alles wirkte ruhig und friedlich, nur dass es nicht stimmte – wie ein Suchbild mit einem gravierenden Fehler. Und dieser Fehler war sie.
    Mit klopfendem Herzen schwang Ravenna die Füße aus dem Bett, goss einen Schwall Waschwasser in die Schüssel auf dem Gestell und wusch sich das Gesicht. Gleich würde sie wieder ihren seltsamen Gastgeberinnen gegenübertreten und sie musste sich gut überlegen, wie sie die Sieben davon überzeugen konnte, sie sofort zu dem Zeittor im Wald zurückzubringen. Sie konnte nur hoffen, dass der Weg in die Zukunft ebenso leicht begehbar war – ein Schritt in den Bannkreis und schon stürzte man ins Nichts. Es war die einzig vernünftige Forderung an diesem Morgen, auch wenn ihr der Verstand etwas vollkommen anderes sagte.
    Warum ich?, fragte sie sich erneut, während sie in ihre Kleider schlüpfte. Diese Frage hatte sie sich den ganzen Abend über gestellt. Ich glaube nicht einmal an meine Gabe, zumindest nicht allzu sehr. Ganz anders dagegen Yvonne, die Magie in jeder Ausprägung erforschte. Die Sieben suchten eine Hexe, die Feuerräder über den Himmel rasen ließ, eine mittelalterliche Zauberin, die Schweinen das Fliegen lehrte und Bäume sprechen ließ. Das bin nicht ich, dachte Ravenna, während sie den Gürtel schloss und die Jacke vom Boden aufhob. Ganz bestimmt nicht.
    Als sie die Tür öffnete, stand sie unvermittelt einer Traube erschrockener Mädchen gegenüber. Alle trugen dieselben dunklen Röcke und weißen Hauben, unter denen Zöpfe hervorlugten. Sie starrten Ravenna an, als stünden sie einem Geist gegenüber. Offenbar hatten die Mädchen an ihrer Zimmertür gelauscht.
    »Guten Morgen«, sagte Ravenna. »Wisst ihr, wo ich …« Weiter kam sie nicht. Kreischend stoben die Mädchen auseinander, rasten die Treppenstufen hinauf oder den Gang entlang. Die Mutigsten hielten auf der obersten Stufe inne und spähten durch das Geländer. »Das ist sie!«, hörte Ravenna eines der Mädchen tuscheln. Vor Aufregung klang die Stimme ganz gequetscht. »Seht nur, sie hat wirklich Hosen an!«
    »Sie sieht aus wie einer von Constantins Stallknechten«, ließ sich eine vollere Stimme vernehmen.
    »Das habe ich gehört!«, rief Ravenna in den dunklen Flur. Die Mädchen stöhnten auf und kicherten.
    »Kann mir eine von euch sagen, wie ich in den Speisesaal komme? Und wo finde ich eine Toilette?«
    Eine der kleinen Hexenschülerinnen stand auf. Sie war hübsch. Mit ihrer Lockenpracht erinnerte sie Ravenna an die dunkelhaarige Schöne, die Frau mit der Regenbogenhaut. Wie hieß sie noch … Esmee? »Die Speisesäle sind im Erdgeschoss«, rief das Mädchen von oben herab. »Und zum Abtritt geht es durch den Garten.«
    Im Garten?, wunderte Ravenna sich, doch nach einigem Suchen fand sie sich zurecht. Das ist was für Liebhaber des Landlebens, dachte sie, als sie sich die Hände an einem Brunnen wusch, der neben dem kleinen Erker plätscherte. Weder Licht noch Wasserspülung, sondern freier Fall in den Halsgraben – manche Äbtissinnen gönnten den Bewohnern ihrer Klöster mehr Bequemlichkeit.
    Als sie in den Speisesaal trat, empfing sie fröhlicher Lärm. Auf den Bänken drängten sich Mädchen verschiedenen Alters, alle ähnlich gekleidet wie die Gruppe auf der Treppe.
    Ravenna erblickte zauberhafte, dunkelhäutige Mädchen und andere mit fast weißen Wimpern und hellblondem Haar. Am Kamin saß eine Gruppe junger Mädchen, die orientalischen Schmuck trug und die Augen fingerdick mit schwarzer Schminke

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