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Die Hexen - Roman

Die Hexen - Roman

Titel: Die Hexen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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und als sie über die Reiterinnen hinwegfegte, hatte Ravenna das Gefühl, eine riesige Faust quetsche ihr die Luft aus dem Brustkorb.
    Ächzend klammerte sie sich ans Sattelhorn. Die Hunde jaulten schrill. Plötzlich war die Lichtung von Gebrüll erfüllt. Krieger in Kettenhemden und langen Umhängen stürmten aus dem Unterholz und schlugen sofort auf Terrell und seine Männer ein.
    Der Zusammenprall war so unwirklich, dass Ravenna wie gelähmt auf die hoch erhobenen Schwerter und kreisenden Morgensterne starrte. Als der Erste von Terrells Rittern brüllte und in das Blut fasste, das ihm von der Schulter rann, drang endlich die entsetzliche Erkenntnis in ihr Bewusstsein. Das hier war echt!
    Sie zog die Zügel an, Willow drehte sich panisch im Kreis. Die Kampfhandlungen liefen so schnell vor ihren Augen ab, dass sie Freund und Feind kaum voneinander unterscheiden konnte. Um die Schwerter der Gegner waberten magische Felder, in denen sich alles verzerrte: der Wald, die Ritter und der strömende Regen. Ein Pferd stürzte und wälzte sich auf dem Boden, der junge Reiter – Marlon – rollte über das Gras. Zwischen den Bäumen tauchten immer neue Gegner auf.
    Plötzlich zuckte ein glühender Schmerz über Ravennas Wange. Sie schrie auf, als sich eine Handbreit vor ihrem Gesicht ein Pfeil in einen Birkenstamm bohrte. Als sie am Kragen gepackt wurde, schlug sie um sich.
    »Halt still! Halt still, du Närrin! Zieh die Jacke aus! Das Rot macht dich zur Zielscheibe.«
    Keuchend zerrte Josce ihr das Kleidungsstück vom Leib und ließ es fallen. Ravenna war gelähmt vor Angst. Es war wie damals in ihrer dunklen Wohnung – da war jemand, der stärker war als sie. Jemand, der roh und rücksichtslos war und ihr Schmerzen zufügen würde.
    Die Sieben drängten sich auf der verregneten Lichtung aneinander und fassten einander an den Händen. »Komm zu uns, Ravenna! Nun mach schon!«, schrie Aveline ihr zu.
    Hastig reihte Ravenna sich neben der jungen Hexe ein. Als ihr Blick auf die Sieben fiel, keuchte sie. Die Hexen hatten Angst! Sie waren weder mächtige Zauberinnen, die den Feind mit einer Handbewegung zerquetschen konnten, noch waren sie unsterbliche Magierinnen. Sie waren einfach nur Frauen, denen die Furcht ins Gesicht geschrieben stand.
    »Legt die Hände aneinander! Nun macht schon!«, befahl Josce. Ihre Stimme drang kühl und klar in Ravennas Bewusstsein. Sie hob die Arme und legte die Handflächen gegen die der anderen Frauen, so wie sie es bei ihren Begleiterinnen sah. Josce und Terrell wechselten einen Blick.
    »Macht euch bereit!«, brüllte der alte Ritter.
    Josce begann eine Flut von Worten hervorzustoßen, deren Klang Ravenna an die geheimnisvolle, verbotene Sprache ihrer Kindheit erinnerte. Sie schrie auf, als ein Stromstoß durch ihre Handflächen zuckte. Im selben Augenblick drehten sich die Hexen nach außen und schleuderten eine magische Stoßwelle auf die Angreifer.
    Blasses Elmsfeuer flackerte über die Rüstungen der feindlichen Ritter. Die Angreifer brüllten auf und fassten vom magischen Licht geblendet nach den Sehschlitzen ihrer Visiere.
    »Vorwärts! Los, los, los!«, brüllte Terrell. »Wir brechen durch!«
    In diesem Augenblick schätzte Ravenna den alten Ritter sehr für seinen Mut und seine Besonnenheit. Sie trieb ihre Stute an. Mit gewaltigen Sätzen stürmte Willow über die Lichtung und verschwand zwischen den Bäume n. Ravenna achtete nicht darauf, ob die anderen ihr folgten. Sie sah kaum, wohin die Stute galoppierte. Und sie wollte es auch nicht wissen, sie wollte nur weg von der umkämpften Lichtung – am besten durch ein Tor in der Zeit.
    Plötzlich bäumte sich die Stute auf. Ravenna keuchte. Vor ihr erschien ein Krieger auf einem riesigen Rappen. Er stützte eine Faust auf den Schenkel, in der er eine gezackte Klinge hielt. Das Schwert war mit Schuppen bedeckt. Auf dem schwarzen Harnisch des Fremden glänzte ein Skorpion und auf seinem Helm loderten Flammen. Durch die Schlitze des Visiers musterte er Ravenna mit durchdringendem Blick.
    Jetzt ist es aus, schoss es ihr durch den Kopf und ihr Magen krampfte sich zusammen.
    Dann war Josce an ihrer Seite, ein Schatten in Weiß und Grau. »Ich hoffe, du verstehst wirklich etwas von Magie«, knurrte die Jägerin, als sie Ravenna einen schweren, kalten Gegenstand in die Hand drückte.
    Das zweite Siegel. Der Silberring mit der Reiterin, die beide Arme hoch über den Kopf hielt.
    Erschrocken starrte Ravenna auf den Schatz. Heute war ihr zweiter

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