Die Hexen von Eastwick
Konzentration auf die Figur, die sie herstellte. Mit dem
Rand des weichen, wohlriechenden Stäbchens, mit dem man
Nagelhaut zurückschiebt, drückte sie das vereinzelte Haar in den
nachgebenden Lavendelskalp.
«Sie hat einen Kopf, aber kein Gesicht», maulte Jane über ihre
Schulter hinweg. Ihre Stimme kratzte an dem heiligen Kegel der
Konzentration.
«Das Gesicht schaffen wir schon noch», flüsterte Alexandra. «Wir
wissen, wer sie ist, und projizieren es.»
«Mir kommt sie schon wie Jenny vor», sagte Sukie, die der
Herstellung so dicht beigewohnt hatte, daß Alexandra den Atem der
anderen Frau über ihre Hände streichen fühlte.
«Glatter», raunte Alexandra, indem sie die runde Unterseite eines
Teelöffels gebrauchte. «Jenny ist glatt-t-t.»
Wieder mäkelte Jane: «Sie wird nicht stehen.»
«Das tun ihre kleinen Frauen nie», warf Sukie ein.
«Pssst», sagte Alexandra, um ihren Zauber abzuschirmen. «Es muß
sie im Liegen erwischen. So tun’s wir Damen nun mal. Wir nehmen
unsere Medizin im Liegen.»
Mit dem magischen Messer, dem Athame, imitierte sie Jennys neue
spröde Eva Perón-Frisur auf dem kleinen Abbild des Kopfes. Janes
Beschwerde wegen des Gesichts nagte an ihr, deshalb versuchte sie mit
der Kante des Nagelreinigers die gebogenen Augenhöhlen
nachzuahmen. Die Wirkung, plötzlich aus einem grauen Klumpen
angesehen zu werden, war alarmierend. Der Hohlraum in Alexandras
Unterleib wurde zu Blei. Wenn wir uns an einem Schöpfungsakt
versuchen, übernehmen wir die Bürde der Schuld, des Mordes und
der Unwiderruflichkeit der Schöpfung. Mit einem Gabelzinken piekte
sie einen Nabel in den glänzenden Bauch: geboren, nicht gemacht;
gebunden wie wir al e an Mutter Eva. «Genug», verkündete Alexandra
und ließ ihr Werkzeug mit Geklapper ins Abwaschbecken fal en.
«Schnel , solange das Wachs noch ein bißchen warm ist. Sukie.
Glaubst du, das ist Jenny?»
«Warum … sicher, Alexandra, wenn du es sagst.»
«Es ist wichtig, daß du es glaubst. Nimm sie in die Hände. In beide
Hände.»
Sie tat es. Ihre dünnen sommersprossigen Hände zitterten.
«Sag zu ihr – lach nicht – sag zu ihr: ‹Du bist Jenny. Du mußt
sterben›.»
«Du bist Jenny. Du mußt sterben.»
«Du auch, Jane. Tu’s. Sag’s.»
Janes Hände unterschieden sich von denen Sukies und auch
voneinander; die Bogenhand war dick und weich, die Griffhand war
überentwickelt und hatte goldfarbene, glasige Schwielen an den
grausam beanspruchten Fingerkuppen.
Jane intonierte die Worte, jedoch in einem so toten, entschlossenen
Tonfall, gewissermaßen die Noten ablesend, daß Alexandra sie
ermahnte: «Du mußt daran glauben. Dies ist Jenny.» Es überraschte Alexandra nicht, daß Jane trotz ihrer Bosheit die
schwache Schwester war, als es dazu kam, den Bann zu sprechen:
denn Magie wird von Liebe genährt, nicht von Haß. Haß bringt nur
Scheren hervor und ist unfähig, die Fäden der Sympathie zu weben,
mit denen al ein Geist und Seele die Materie zu rühren vermögen.
Jane wiederholte die Formel in jener Ranchhausküche mit ihrem
von Vogeldreck bekleckerten Aussichtsfenster und dem Blick auf
einen stoppeligen Garten, der gleichwohl zu dieser Jahreszeit von der
Blütenpracht zweier Hornsträucher geschmückt war. Das letzte
Tageslicht glühte wie ein Hintergrund aus kostbarem Metal , das in
feiner Folie zwischen dunklem, wippenden Geäst und Zweigspitzen
aus vierblättrigen Blüten eingearbeitet war. Ein gelbes
Plastikplanschbecken – es war den ganzen Winter über dem Wetter
ausgesetzt gewesen, und Janes Kinder waren ihm schon völ ig
entwachsen ruhte in leichter Schräglage unter einem der Bäume und
barg einen halbmondförmigen Rest schmutzigen Wassers, das einmal
Eis gewesen war. Der Rasen war braun und vol er Maulwurfshügel,
und trotzdem lag ein Schimmer frischen Grüns über ihm. Die Erde
lebte noch.
Die Stimme der anderen beiden brachten Alexandra wieder zu sich.
«Du auch, Süße», sagte Jane harsch und gab ihr das Duttelchen
zurück. «Sag die Worte.»
Sie waren vol er Haß, aber handgreiflich; Alexandra sagte sie mit
ruhiger Überzeugung und führte dann die Zauberhandlung eilig zu
Ende. «Stecknadeln», sagte sie zu Jane. «Nähnadeln. Reißzwecken –
hast du welche im Kinderzimmer?»
«Ich gehe jetzt höchst ungern dort hinein, sie werden nach dem
Abendessen jammern.»
Alexandra sagte: «Sag ihnen, in fünf Minuten. Wir müssen es zu
Ende bringen, oder es könnte –»
«Es
Weitere Kostenlose Bücher