Die Hexen von Eastwick
noch andere Dinge. In der Nacht Schmerzen, die kommen und
gehen. Meine Nase läuft die ganze Zeit. Es ist peinlich; Darryl sagt,
ich schnarche nachts, das habe ich in meinem ganzen Leben noch
nicht getan. Erinnerst du dich an diese Knötchen, die ich dir zu
zeigen versuchte, und die du nicht finden konntest?»
«Ja, vage.» Das Nachfühlen dieses lässigen Abtastens fuhr ihr
schrecklich in die Fingerspitzen.
«Also, jetzt sind es mehr. In der … in der Leistengegend und oben
unter meinen Ohren. Sind da nicht die Lymphknoten?»
Jennys Ohren waren nie durchstochen worden, und sie verlor
ständig kleine, kindische Ohrclips im Bad, auf den schwärzen
Schieferplatten und zwischen den Kissen. «Ich weiß es wirklich nicht,
Schätzchen. Du sol test zum Arzt gehen, fal s du dir Sorgen machst.»
«Oh, das habe ich getan. Doc Pat. Er hat mich zur Untersuchung
ins Westwick Hospital geschickt.»
«Und hat die Untersuchung irgend etwas ergeben?»
«Sie sagen, nicht wirklich; aber ich sol noch mehr Tests machen.
Sie sind al e so behutsam und ernst und sprechen mit so einer
komischen Stimme, als wäre ich ein ungezogenes Kind, das ihnen
plötzlich auf die Schuhe pinkelt, wenn sie es nicht auf Abstand halten.
Sie haben Angst vor mir. Durch mein bloßes Kranksein stel e ich sie
irgendwie bloß. Sie sagen Sachen wie, daß die Zahl meiner weißen
Blutkörperchen ‹ein bißchen außerhalb des Normalen› liege. Sie
wissen, daß ich in einem großen städtischen Krankenhaus gearbeitet
habe, und das drängt sie in die Defensive, aber ich habe keine Ahnung
von organischen Krankheiten, ich habe meistens Frakturen und
Gallensteine gesehen. Es wäre al es albern, aber nachts, wenn ich im
Bett liege, kann ich fühlen, daß etwas nicht stimmt, daß irgend etwas
an mir arbeitet. Sie fragen mich dauernd, ob ich irgendwelchen
Strahlen ausgesetzt gewesen bin. Natürlich habe ich damit gearbeitet
im Michael Reese Hospital, aber sie sind dermaßen vorsichtig, wickeln
dich in Blei und stecken dich in diese dicke Glaskabine, wenn du den
Schalter bedienst; alles, was mir einfiel, war, daß ich als Teenager,
kurz bevor wir nach Eastwick zogen, also noch in Warwick, beim
Richten meiner Zähne eine unheimliche Menge Röntgenstrahlen
abgekriegt habe; in meinem Mund war ein einziges Durcheinander
während meiner Mädchenzeit.»
«Deine Zähne sehen jetzt wunderschön aus.»
«Danke. Es hat Daddy Geld gekostet, das er in Wirklichkeit gar
nicht hatte. Aber er wol te mich unbedingt schön haben. Er liebte mich, Lexa.»
«Gewiß tat er das, Liebling.» sagte Alexandra nachdrücklich; die
Luft, die unter der Persenning gefangen war, nahm zu und kämpfte
wie ein wildes, aus Wind gemachtes Tier.
«Er liebte mich so sehr», platzte Jenny heraus. «Wie konnte er mir
das antun, sich aufhängen? Wie konnte er mich und Chris so al ein
lassen? Selbst, wenn er wegen Mordes im Gefängnis gesessen hätte,
wäre das besser gewesen als dies. Er hätte nicht al zu lange bekommen,
die scheußliche Art, wie er es getan hat, konnte nicht vorausgeplant
gewesen sein.»
«Du hast Darryl», sagte Alexandra.
«Ich habe ihn, und ich habe ihn nicht. Du weißt, wie er ist. Du
kennst ihn besser als ich; ich hätte mit dir sprechen sol en, bevor ich
mich darauf einließ. Vielleicht wärst du besser für ihn gewesen, ich
weiß es nicht. Er ist höflich und aufmerksam, gewiß, aber irgendwie
ist er nicht für mich da. Seine Gedanken sind immer woanders, bei
seinen Projekten wahrscheinlich. Alexandra, bitte laß mich zu dir
kommen, laß mich dich sehen. Ich werde nicht lange bleiben,
wirklich nicht. Ich brauche nur … Berührung», endete sie mit
erstickter, in Bitterkeit sich windender Stimme, während sie diese
letzte nackte Bitte vorbrachte.
«Meine Liebe, ich weiß gar nicht, was du von mir wil st», log
Alexandra platt, weil sie dies alles abschwächen mußte, um das
tränenverschmierte Gesicht vor ihrem inneren Auge auszulöschen, das
so nahe gekommen war, daß sie die körnigen Flecken geradezu sehen
konnte, «aber ich kann dir auch nichts geben. Ehrlich. Du hast deine
Wahl getroffen, und ich hatte daran keinen Anteil. Das ist in
Ordnung. Kein Grund, weshalb ich hätte daran beteiligt sein müssen.
Und jetzt kann ich nicht mehr Teil deines Lebens sein. Das schaffe
ich einfach nicht.»
«Sukie und Jane würden es nicht mögen, wenn du mich siehst»,
vermutete Jenny, um einen Grund dingfest zu machen für Alexandras
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