Die Hexen von Eastwick
das. An jenem ersten Abend bei
Darryl, als sie tanzten zu Janis Joplins Musik, hatten sie sich
aneinandergeklammert und geweint über den Fluch der
Heterosexualität, der sie getrennt hielt, als sei jede von ihnen eine
Rose in einem Plastikröhrchen. Jetzt war etwas Fremdes,
Gleichgültiges in Alexandras Stimme. Sukie fiel der Talisman ein, den
sie gemacht hatte, mit dem magischen Dreifachknoten, und sie nahm
sich vor, ihn unter dem Bett hervorzuholen. Ein Zauberbann wird
schal, verliert seine Wirksamkeit nach ungefähr einem Monat, wenn
nicht menschliches Blut hinzukommt.
Und abermals einige Tage später traf Sukie die verwaiste Tochter der
Gabriels al ein, ohne Bruder, in der Dock Street: auf dem winterlich
leeren, sich schlängelnden Gehsteig längs der Läden, die teils
verrammelt und verriegelt waren bis zum Frühling, teils
hingebungsvol dekoriert mit bunten Duftkerzen und
österreichischem Weihnachtsschmuck aus Korea, leuchteten diese
beiden Sterne schon von weitem füreinander und ließen sich,
spannungsgeladen, von ihrer gegenseitigen Anziehungskraft
zueinander treiben, und die Schaufenster des Reisebüros und der
Superette, des Bellenden Fuchses mit seinen
Maschinenstrickpul overn und braven Schottenröcken, des
Hungrigen Schafs mit seinem etwas gewagteren Angebot, des Perley-
Immobilienbüros mit den vergilbten Fotos von Pseudo-Cape-Cod-
Häusern und verfal enden viktorianischen Prunkbauten an der Oak
Street, die auf ein risikofreudiges junges Paar warteten, das sie
übernehmen und den zweiten Stock in Apartments umwandeln
würde, der Bäckerei und des Friseurgeschäfts und der Lesestube der
Christian Science, sie al e, al e gafften. Die Eastwick-Filiale der Old
Stone-Bank hatte, gegen massive Bürgerproteste, einen Drive-in-
Schalter eingerichtet, und Sukie und Jennifer mußten warten, wie auf
den gegenüberliegenden Ufern eines Flusses, zwischen ihnen die
schrägen, in den Bürgersteig geschnittenen Ein- und Ausfahrten, über
die sich die Autos schoben. Der Stadtkern sei viel zu eng und
historisch für diese zusätzliche Verkehrskomplikation, hatten die
Gegner, an ihrer Spitze die verstorbene Felicia Gabriel, vergebens
argumentiert.
Sukie schaffte es schließlich, zur jüngeren Frau hinüberzugelangen,
an den gewaltigen Heckflossen eines knal roten Cadil ac vorbei, der
übervorsichtig von dem pinseligen, halbblinden Horace Lovecraft
gesteuert wurde. Jennifer trug einen alten, schmutzigen
bräunlichgelblichen Parka mit plattgedrückter Daunenfül ung und
einen von Felicias Schals, einen weitmaschigen purpurfarbenen, den
sie sich mehrfach um den Hals gewickelt hatte, bis zum Kinn. Sie war
viel kleiner als Sukie und stand da wie ein unterernährtes,
verwahrlostes Kind mit wässerigen Augen und rosa Nasenflügeln. Das
Thermometer zeigte an diesem Tag achtzehn Grad minus an.
«Wie geht’s denn?» fragte Sukie mit forcierter Munterkeit.
Was Größe und Alter betraf, stand dieses Mädchen im gleichen
Verhältnis zu Sukie wie Sukie zu Alexandra; Jenny war auf der Hut,
aber überlegenen Mächten mußte auch sie sich beugen. «Es geht»,
sagte sie mit einer kleinen Stimme, die durch die Kälte noch kleiner
geschnitzt wurde. Sie hatte sich in Chicago eine mittelwestlich
angehauchte nasale Aussprache zugelegt, Sie beobachtete Sukies
Gesicht und wagte einen kleinen Vorstoß, indem sie offenherzig
hinzusetzte: «Es ist so viel Zeugs da, es wächst Chris und mir über den
Kopf. Wir haben beide wie die Zigeuner gelebt, und Mommy und
Daddy haben alles aufgehoben, Zeichnungen, die wir im
Kindergarten gemacht haben, unsere Zeugnisse aus der Grundschule,
Schachteln über Schachteln mit alten Fotografien …»
«Es ist sicher sehr traurig.»
«Das auch und so frustrierend. Ein paar Entscheidungen hätten sie
ruhig selber treffen können. Es ist wirklich mit Händen zu greifen,
wie sie in den letzten Jahren al es haben schleifen lassen. Mrs. Perley
sagt, wir würden uns selber reinlegen, wenn wir mit dem Verkauf
nicht warteten, bis wir im Frühjahr al es streichen lassen können. Das
würde zirka 2000 kosten und eine Wertsteigerung von 10 000
bringen.»
«Hör mal, du bist ganz durchgefroren.» Sukie selber war
eingekuschelt in einen langen Lammfel mantel und sah souverän aus
mit der Kappe aus rotem Fuchspelz, der den KupferSchimmer ihres
Haars betonte. «Laß uns rübergehn zu Nemo. Ich lade dich zu einer
Tasse Kaffee ein.»
«Ja, nur …» Das Mädchen war
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