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Die Hexen von Eastwick

Titel: Die Hexen von Eastwick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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bißchen übertrieben.»
«Bitte, Jane. Ich habe Angst, wenn du so redest, wenn du so etwas
    sagst.»
«Warum es nicht sagen? Wirklich, Sukie, du bist infantil.»
Sukie war eine schwache Schwester, dachte Jane. Sie gaben sich mit
ihr ab, weil sie immer so munteren Klatsch wußte und diesen Kleine-
Schwester-Sonnenschein in ihre Donnerstage brachte, aber im
Grunde war sie ein eingebildetes, unreifes Ding und konnte Van
Horne nicht annähernd so zu Gefal en sein wie Jane – dies Brennen,
dies Sich-Öffnen; sogar Greta Neff, diese ausgelatschte alte Socke mit
der Omabril e und dem schauerlichen pedantischen Akzent, sogar die
war da mehr Frau, konnte ganze Königreiche der Nacht in sich
schließen, dem Brennen standhalten. «Worte sind nur Worte», sagte
sie.
«Eben nicht! Durch sie passieren die Dinge!» sagte Sukie flehend;
ihre Stimme war zu einem dünnen Klagelaut geschrumpft. «Zwei
Menschen sind tot, und zwei Kinder sind Waisen, unsertwegen.»
«Also komm, ab einem bestimmten Alter ist man kein Waisenkind
mehr», sagte Jane. «Schluß mit dem Unsinn.» Ihr s zischte wie Spucke
auf einer Herdplatte. «Jeder schmort in seinem eigenen Saft.»
«Wenn ich nicht mit Clyde geschlafen hätte, wäre er nicht so
durchgedreht, ich bin ganz sicher. Er hat mich so geliebt, Jane. Er hat
meinen Fuß in beide Hände genommen und mich zwischen die
Zehen geküßt.»
«Natürlich, so gehört sich das auch. Genau das sol en Männer tun.
Sie sol en uns anbeten. Sie sind der letzte Dreck, mach dir das endlich
mal klar. Männer sind Dreckskerle, aber am Ende sind wir ihnen
über, weil wir besser leiden können. Eine Frau kann jeden Mann
jederzeit an die Wand leiden.» Jane fühlte sich groß in ihrer
Ungeduld; die schwarzen Noten, die sie an diesem Morgen geschluckt
hatte, zuckten in ihr, lebten. Kaum zu glauben, wie viel Saft der alte
Lutheraner hatte. «Es wird noch genug Männer für dich geben,
    Liebchen», sagte sie zu Sukie. «Zerbrich dir nicht mehr den Kopf über
Clyde. Du hast ihm gegeben, was er haben wol te, es ist nicht deine
Schuld, daß er nicht damit umgehen konnte. Hör zu, ich muß jetzt
Schluß machen», log Jane Smart, «um elf kommt jemand zur
Stunde.»
Dabei war die Stunde erst um vier. Sie würde vom alten Lenox-
Anwesen nach Hause eilen, wund und dampfend sauber, und der
Anblick der ungewaschenen kleinen Hände, die auf ihren reinen,
elfenbeinernen Tasten eine kostbare, vereinfachte Mozart- oder
Mendelssohn-Melodie klimperten, würde in ihr den Wunsch wecken,
das Metronom zu packen und mit seinem schweren Fuß diese
pausbäckigen Finger zu zerquetschen, als ob man Bohnen in einem
Mörser zerstoßt. Seit Van Horne in ihr Leben getreten war, hatte ihre
Leidenschaft für die Musik sich noch gesteigert, dieses goldene
hochgewölbte Tor, das hinausführte aus dem Jammertal vol Schmerz
und Niedertracht.
    «Sie klang so schroff und eigenartig», sagte Sukie einige Tage später zu
Alexandra am Telefon. «Als ob sie dächte, sie läge vorn bei Darryl und
müßte ihren Platz um jeden Preis verteidigen.»
«Das gehört zu seinen diabolischen Künsten, er läßt jede von uns in
diesem Glauben. Ich bin al en Ernstes davon überzeugt, daß ich es
bin, die er liebt», sagte sie lachend mit heiterer Hoffnungslosigkeit.
«Er hat mich jetzt so weit, daß ich diese größeren Skulpturen mache,
aus gefirnißtem Pappmache, wie diese Saint-Phal e, wenn ich nur
wüßte, wie die damit fertig wird, al es ist verkleistert, die Hände, das
Haar, igitt. Wenn ich die eine Seite der Figur einigermaßen
manierlich hingekriegt habe, ist die andere garantiert aus dem Leim,
keine Form, ein einziges Chaos.»
«Ja, mir hat er gesagt, wenn ich meinen Job beim Anzeiger verliere,
    sol te ich versuchen, einen Roman zu schreiben. Aber ich kann mir
nicht vorstel en, Tag für Tag über derselben Geschichte zu brüten.
Und die Namen der Leute – Leute existieren doch einfach nicht,
wenn man ihnen ausgedachte Namen gibt.»
«Ja, ja», seufzte Alexandra, «er fordert uns. Er dehnt uns.»
Am Telefon klang sie tatsächlich so, als dehne sie sich – mit jeder
Sekunde wurde sie undeutlicher, sie entfernte sich, versank in einem
durchscheinenden Treibsand des Fremdseins. Sukie war nach der
Beerdigung der Gabriels in die Hemlock Lane zurückgekehrt, die
Kinder waren al e noch in der Schule, und das kleine alte Haus,
bevölkert von Erinnerungen und Mäusen, seufzte und murmelte vor
sich hin. Keine

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