Die Hexenadvokatin
aber für seine Meinung interessierte sich schon lange keiner mehr. Ein Umstand, der den bejahrten Paragrafenreiter zutiefst deprimierte und ihn zu einem mürrischen alten Mann gemacht hatte. Um ihn nicht gar zu sehr vor den Kopf zu stoßen, hatte ihm der Fürst vor einiger Zeit den Auftrag erteilt, alle Objekte in der herzoglichen Kunst- und Münzsammlung zu beschreiben und zu katalogisieren. Das entsprach genau Ficklers peniblem Arbeitsstil und seiner Neigung, jede Kleinigkeit auf das Genaueste zu untersuchen und zu begutachten.
Dennoch stieß dem Alten die dahinter steckende Absicht sauer auf; er wusste natürlich, dass man ihm damit bloß ein »Gnadenbrot« geben wollte. Und solches widerfuhr ihm, einem
Mann, der seinerzeit beim Konzil von Trient federführend dabei gewesen war …
Offenbar vermochte Herzog Maximilian die Gedanken seines Gegenübers zu lesen. »Gebt Euch nur keiner Täuschung hin, Graf; diese Aufgabe wird gewaltig sein. Zumindest hin und wieder werdet Ihr Euch freuen über die kompetente Mithilfe des Herrn Hofrats Fickler.«
Dann wechselte der Fürst abrupt das Thema. Er sprach nun wiederum Deutsch. Fast schien es, er habe Alberta nur auf die Probe stellen und ihre Kenntnisse im Französischen testen wollen.
»Wie Ihr vielleicht gesehen habt, ist eine Schar Gaukler bei uns eingetroffen. Es sind Italiener aus Neapel, die uns heute Abend mit ihren Kunststücken erheitern wollen. Ich erwarte, dass Ihr ebenfalls dabei sein werdet, wenn die Komödianten meiner Gemahlin und mir beweisen, was sie können. Bringt auch Euren Benediktinerpater Winfried mit.«
»Ich freue mich schon darauf, Durchlaucht«, erwiderte Alberta beflissen - und das entsprach durchaus der Wahrheit. Seiltänzer, Feuerschlucker, Akrobaten, Zwerge, Bärentreiber, Sänger und fahrende Schauspieler boten stets eine willkommene Abwechslung, die auch der Adel goutierte.
Alberta dachte dabei an einen gewissen William Shakespeare, der seine Theaterstücke auf die Bühne des Globe Theatre’s in London brachte und seine Wandertruppe mit Hamlet sogar am dänischen Königshof auftreten lassen durfte.
»Der Herzog war äußerst zuvorkommend und liebenswürdig«, konnte Alberta ihrem Mentor und väterlichen Freund, Pater Winfried, später mitteilen. »Er hat uns eingeladen, heute Abend den neapolitanischen Gauklern bei ihrer Vorführung
zuzusehen.« Dann fiel ihr der Brief wieder ein, den der unbekannte Mann ihr am Morgen zugesteckt hatte. Sie zog ihn aus der Tasche, öffnete den Umschlag, entfaltete das Schreiben und begann zu lesen.
Pater Winfried stand daneben und wartete geduldig. Endlich sah die junge Dame auf. »Ihr werdet es nicht glauben, Pater! Dieser Brief stammt von einem gewissen Peter Niedermeier aus München, bürgerlicher Zuckerbäcker seines Zeichens, der das Glück hat, die herzogliche Tafel mit Kuchen und süßen Backwaren aller Art beliefern zu dürfen.«
»Na und? Was will er von Euch, meine Tochter?«, wollte der Benediktiner wissen. »Hat er Euch vielleicht seine Frau als Hexe angezeigt?«
»Ha! Wenn es bloß das wäre, Pater. Nein! Stellt Euch vor, der Gute möchte mein Schwiegervater werden!«
»Wie bitte?«
»Ja! In aller Naivität erzählt mir der Meister, dass seine Tochter, angeblich eine wahre Schönheit, noch dazu fleißig, fromm und bescheiden, kurz eine wahre Zierde ihres Geschlechts, mich auf der Straße gesehen und sich unsterblich in mich verliebt habe.«
»Alle Wetter! Der Zuckerbäcker hat Courage«, meinte grinsend der Pater.
»Ja, und um den Standesunterschied schert er sich keinen Deut, denn er ist guter Hoffnung, dass er in Bälde vom Herzog - aufgrund der Torten und seiner köstlichen Pralinés, mit denen er den fürstlichen Hof beglückt - in den Adelsstand versetzt würde.«
»Na dann!« Jetzt lachte Pater Winfried lauthals. »Dann ist doch alles bestens geregelt.«
»Um mir die Entscheidung leichter zu machen, verspricht mein Schwiegervater in spe, mir am Tage der Hochzeit mit
seiner Tochter die nicht ganz unbeträchtliche Summe von 30 000 Gulden zu überreichen.«
»Hoppla! So viel Geld von einem Zuckerbäcker? Ich kenne den Niedermeier Peter zwar nicht, aber wenn er seiner Tochter so einen Batzen Geld an Mitgift auszahlen kann, kann man sich ausrechnen, wie hoch das Vermögen dieses Burschen ist. Ich glaube, der Adelsstand weiß überhaupt nicht, wie immens reich diese Bürger auf einmal geworden sind.«
»Hauptsache der Herzog weiß es. Der wird dann schon wieder gehörig
Weitere Kostenlose Bücher