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Die Hexengabe: Roman (German Edition)

Die Hexengabe: Roman (German Edition)

Titel: Die Hexengabe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Mannel
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oben.
    Rosa folgte ihm, doch plötzlich blieb er stehen. Sie duckte sich zur Seite und hoffte, dass man sie nicht sehen konnte.
    »Na, wen haben wir denn da? Halt! Sofort stehen bleiben! Alarm! Wachen!«
    Sie erkannte die Stimme des Profos, die abrupt abbrach, weil Luis ihn zu Boden geworfen hatte.
    »Komm schnell!«, rief Luis Rosa zu. Sie rannte hinter ihm her, hinauf aufs Deck und hinüber zur Reling.
    In diesem Augenblick feuerte jemand eine Flinte ab.
    »Los, los, los, wir müssen schneller sein!«, keuchte Luis. Sie rannten, so schnell sie konnten, über die Landungsplanken. Die Goldstücke schepperten und drückten auf ihren Rücken.
    Da fiel wieder ein Schuss, und Rosa hörte Luis aufschreien. »Verdammt, verdammt! Rosa, lauf, lauf, sieh zu, dass du Land gewinnst!«
    Rosa blieb stehen, sah, wie Luis zusammenbrach, und stürzte zu ihm. »Komm, stütz dich auf mich, ich werde dich doch nicht liegen lassen.«
    Blut strömte unter seiner Schulter hervor.
    An Rosas Kopf zischte eine Kugel vorbei. Das musste sofort aufhören. Sie ließ ihren Sack fallen.
    »Warte!«
    »Keine Angst, ich laufe nicht weg.« Luis rang sich ein Grinsen ab.
    Als der Profos gerade damit beschäftigt war, Pulver nachzuladen, schlich Rosa an ihn heran. Sie nutzte ihre Chance, griff nach Siranushs Dolch, umschlang von hinten seine Kehle und hielt den Dolch daran.
    »Ein Mucks, und du bist tot.«
    »Das wagst du nicht, Hexe.«
    Rosa schluckte, riss sich zusammen und ritzte seine Kehle so, dass ein dünner Blutstrahl herausrann.
    Der Profos begann zu zittern und wimmerte.
    »Sei still, oder ich werde den Bocksbeinigen persönlich bitten, dich zu sich in die Hölle zu holen«, zischte sie.
    Der Profos begann zu beten. Rosa hätte beinahe Mitleid mit ihm gehabt, doch sie erinnerte sich nur zu gut daran, wie er sie verleumdet und dann gezwungen hatte, sich vor allen auszuziehen.
    Was sollte sie jetzt mit ihm machen? Ihm die Kehle durchzuschneiden, das vermochte sie nicht. Wenn sie ihn nur einsperrte, dann würde er laut rufen. Und ihn zu fesseln und zu knebeln, hatte sie keine Zeit mehr. Luis lag dort unten und verblutete womöglich.
    Der Profos hatte aufgehört zu beten, nutzte es aus, dass sie ihren Griff etwas gelockert hatte, drehte sich um und sah ihr ins Gesicht.
    »Weiche von mir, Satanas!«, flüsterte er fortwährend, und Rosa durchzuckte der Gedanke, ihm die Zunge herauszuschneiden. Das wäre für seine verleumderischen Worte eigentlich eine angemessene Strafe.
    Er sah sich nach seinem Gewehr um. Rosa folgte seinem Blick und kickte es übers Deck, rannte hinterher und warf es über Bord. Der Profos war ihr gefolgt und stand jetzt wutschnaubend vor ihr, hatte sich wieder gefasst.
    Rosa zögerte nun keine Sekunde mehr und rammte ihm das Messer in den Bauch, steckte den Dolch wieder ein und rannte zurück zu Luis, der immer noch stark blutete. Sie zwang ihn aufzustehen.
    »Ich kann nicht.«
    »Unsinn, du kannst!«, schimpfte sie. »Bist du ein Mann oder eine Memme?« Rosa zog ihn hoch, zerrte ihn weiter, musste aber dafür die Säcke mit dem Gold zurücklassen.
    »Nicht – wir brauchen das Gold!«
    »Ja, ja, jetzt schaffe ich dich zum Karren, dann hole ich die Säcke. Beeil dich, streng dich an!«
    Sie spürte das warme Blut, das von seiner Schulter über ihre Seite tropfte, spürte, wie er immer schwächer wurde.
    Bis zum Karren, sie mussten es wenigstens zum Karren schaffen. Den hatten sie von den du Plessis geliehen, um, wie sie behauptet hatten, eine wichtige Erledigung in der Stadt zu machen.
    »Gut so, Luis, du schaffst es, wir werden es schaffen!«
    Endlich, sie waren am Wagen.
    »Ich kann dich nicht hochheben. Steig auf, ich bitte dich, Luis, steig auf!«
    Luis!
    Er war ohnmächtig geworden. Verdammt, verdammt, verdammt.
    Rosa bückte sich, aber es war aussichtslos, ihn alleine in den Karren zu hieven. Was jetzt?
    Erst mal die Säcke holen, vielleicht würde Luis bis dann wieder zu sich kommen.
    Sie rannte zurück an die Stelle, wo Luis zusammengebrochen war, und griff nach dem Sack, den er getragen hatte. Unmöglich. Viel zu schwer. Was jetzt? Auf keinen Fall konnte sie ihn hier am Kai liegen lassen. Sie verknotete den Sack und trat ihn ins Wasser, hoffte, dass die Fische ihn nicht auffressen und ihn niemand bemerken würde, bevor sie ihn in den nächsten Tagen bergen konnten.
    Dann raste sie zu ihrem Sack, den sie gut tragen konnte.
    Am Karren angekommen, warf sie ihn hinein und bückte sich zu Luis.
    »Luis, Luis, verzeih

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