Die Hexengabe: Roman (German Edition)
sich wieder um.
37. Kapitel
E skam ihr auch nach vierzehn Tagen immer noch merkwürdig vor, mit Luis das kleine Bett in dem Alkoven zu teilen. In den ersten Nächten war sie von dem vielen Wein, den man ihnen serviert hatte, und nach all den Strapazen sofort eingeschlafen und erst aufgewacht, als Luis längst aufgestanden war, um bei der Weinlese zu helfen.
Auch von ihr wurde erwartet, dass sie sich an den Arbeiten im Haushalt beteiligte. All ihre Tätigkeiten wurden genauestens begutachtet, und erst als sie Berge von Äpfeln und Karotten trotz der bandagierten linken Hand so dünn abgeschält hatte, dass man die Schale als Pergament hätte verwenden können, wurde sie akzeptiert. Ihre linke Hand hatte sie eingebunden, damit niemand ihren Hexenfinger sehen konnte.
Anfangs war sie zu geschwächt gewesen, um auch nur daran zu denken weiterzureisen, aber je kräftiger sie wurde, desto mehr drängte es sie, nach Kapstadt zu fahren und sich ein Schiff mit Kurs nach Indien zu suchen. Und seit Luis heute erfahren hatte, dass die Amalberga von Gent am Kap angekommen war, wirkte auch er so, als könnte er es kaum erwarten, von hier fortzugehen.
Weil Rosa ihn immer wieder gefragt hatte, was er denn um Gottes willen so dringend von der Amalberga holen musste, vertraute er es ihr eines Abends schließlich an: Es war Gold, das er bei einem Geschäft mit Baldessarini und Dobkatz verdient hatte. Aber mehr hatte er nicht verraten.
»Ich kann nicht schlafen«, flüsterte Rosa.
Luis antwortete nicht.
Kein Wunder, dachte sie, er hatte trotz seiner kaum verheilten Hände den ganzen Tag geholfen, die goldgelben Trauben zu ernten. Seinem Körper entströmte ein Duft nach Most und nach Lavendelseife, wie jene, die Siranush im Teich verwendet hatte.
Wie vertraut und wie fremd er ihr immer noch war.
Wenn er mit den anderen Männern fortging, konnte sie es kaum erwarten, bis er wieder zurück war. Und wenn er dann kam, musste sie den Impuls unterdrücken, zu ihm hinzulaufen und ihn zu umarmen.
Wenn sie alle zusammen im Haupthaus aßen, sehnte sie sich danach, dass er ihr einen besonderen Blick schenkte, und sie freute sich unbändig, wenn sie ihn dabei erwischte, wie er sie wohlwollend musterte.
Und wenn er dann abends ihre Hand nahm, bevor sie nach oben stiegen, pulsierte diese Berührung durch ihren ganzen Körper, erfüllte sie mit einem wohligen Gefühl, das wie Sonnenstrahlen durch ihren Leib jagte und ihr das Gefühl gab zu leuchten. Das also verstand man unter Glücklichsein.
Doch in der Kammer ließ Luis ihre Hand stets los, um ihr klarzumachen, dass er sie nur genommen hatte, um als Paar für die anderen glaubhaft zu erscheinen. Dann erlosch dieses Strahlen, und Enttäuschung breitete sich wie bitterer Geschmack in ihrem Mund aus.
Rosa nahm die Kerze von dem Nachttisch und hob sie an, um Luis in ihrem Schein besser betrachten zu können. Das Hemd hatte er achtlos auf den Boden geworfen. Seine Haut schimmerte wie poliert im Kerzenlicht, der Anhänger auf seiner breiten Brust hob und senkte sich regelmäßig mit seinen Atemzügen.
Sie behielt die Kerze in der linken Hand, legte die rechte auf seinen Bauch und fühlte die Wärme, die von seinem Körper aufstieg, die Muskelstränge unter der weichen Haut, tastete zu seiner Brust, strich über sein Gesicht, verharrte bei den Lippen. Sie erinnerte sich daran, wie er ihren Hexenfinger geküsst hatte, und spürte den dringenden Wunsch, ihre Lippen auf die seinen zu pressen. Sie beugte sich vor, hielt die Kerze dabei ungeschickt und sah zu ihrem Entsetzen, wie Wachs auf seinen Bauch tropfte.
»Ahh!« Er öffnete die Augen so schnell, dass sie es nicht mehr schaffte, die Kerze ab- und sich selbst schlafend zu stellen.
»Was tust du da?« Er setzte sich auf.
»Ich weiß auch nicht, ich …«, stotterte Rosa.
Er nahm ihr die Kerze aus der Hand und platzierte sie auf den Nachttisch.
»Ich glaube, ich weiß es.« Er zog sie an sich und küsste sie auf den Mund, dann sah er ihr in die Augen. »Das?«
Rosa nickte, zögerte, dann küsste sie ihn wieder.
Er wich ihr aus, hielt ihren Blick fest. »Bist du wirklich sicher, dass du das willst?«
»Ja, ganz sicher.«
Er lächelte, löschte die Kerze und zog sie fest in seine Arme. Rosa schmiegte sich an ihn, spürte, wie ihr Herz zu hämmern begann, ihr Atem schneller und schneller ging …
Aber jetzt machte ihr das keine Angst mehr.
38. Kapitel
W er hätte gedacht, dass ich so lange brauchen würde, um in die Werkstatt
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