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Die Hexengabe: Roman (German Edition)

Die Hexengabe: Roman (German Edition)

Titel: Die Hexengabe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Mannel
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aber es dauerte sehr lange, bis er mich hörte.
    Ich sammelte in der Zwischenzeit irgendwelche Blätter, von denen ich hoffte, dass keine giftigen dabei waren. Die wollte ich dann später der Mahaldar zeigen.
    Als Beshir oben angekommen war, waren seine Gesichtszüge gelöst, seine Augen glänzten, und sein Mund war beinahe zu so etwas wie einem Lächeln verzogen. Es tat mir sehr leid, aber ich musste ihm trotzdem von dem Fremden erzählen.
    Sofort arbeiteten die verbissenen Muskeln in seinem Gesicht wieder. Er mahlte die Zähne aufeinander.
    »Das wird uns den Kopf kosten.«
    »Wir behaupten, ein dringendes Bedürfnis hätte dich gezwungen, kurz das Weite zu suchen. Ich bin unwichtig, keine Favoritin oder Prinzessin oder eine der Hauptfrauen. Die wären ja auch niemals nur mit einem Eunuchen ausgegangen.«
    Wir schritten schnell und schweigend zurück, doch diesmal war unser Schweigen voller Angst. Hoffentlich war der Fürst keiner der Verwandten von Aurangzeb. Vor denen musste der Großmogul grausam deutlich machen, wie stark der Fürst auf dem Pfauenthron war. Und selbst ein schwacher Fürst würde ungehorsame Frauen niemals dulden.
    Die roten Zelte sahen im Licht des Sonnenuntergangs aus wie ein großes Feuer, das nur darauf wartete, uns zu verschlingen.

5. Kapitel
     
    R osa lief die Treppe nach unten, wo die Küche und die Werkstatt des Vaters untergebracht waren. Dort entfachte Toni schon das Feuer im Herd für die Milch zum Haferbrei, den sie alle zum Frühstück aßen.
    »Hier!« Toni warf Rosa ein Körbchen zu. »Geh und pflücke uns ein paar Himbeeren an der hinteren Stadtmauer. Die sind heuer zu früh dran, deshalb hat sie noch keiner entdeckt.« Sie wischte sich mit dem Unterarm über ihre feuchte Stirn. »Es wird sehr heiß heute! Beeil dich, deine Mutter wird gleich unten sein.«
    Nur zu gern floh Rosa aus der stickigen Küche, denn unterwegs konnte sie über ihren Plan nachdenken. Sie ging Richtung Vestnertor, über den Milchmarkt, sie wusste genau, welche Stelle Toni meinte, sodass ihre Füße den Weg wie von allein fanden.
    Die Weltkarte! Der Vater hatte ihr immer wieder gezeigt, wohin er seine Spielkarten verkaufte. Welche Reise sie von Nürnberg aus in die ganze Welt antraten. Und Baldessarini nahm auf dem Rückweg die Spielkarten des Vaters nach Venedig mit, von wo sie mit dem Schiff noch weiter bis nach Spanien transportiert wurden. Wenn sie also mit ihm mitreisen konnte, dann wäre ihr Weg bis nach Venedig einigermaßen sicher, denn der Kaufmann hatte zum Schutz vor den Räuberbanden unterwegs reichlich bewaffnete Söldner dabei. Er war einer der wenigen Kaufleute, der seine Waren den ganzen Weg noch selbst begleitete, darüber hatte der Vater einmal mit der Mutter gesprochen, die Baldessarini nicht ausstehen konnte. Die Mutter war der Meinung gewesen, Baldessarini sei ein Hurenbock und Spieler und kein guter Umgang für den Vater. Daraufhin hatte er den Baldessarini erst recht getroffen, denn ihr Vater hatte es gehasst, wenn man ihm Vorschriften machte. Aber wenn man ihn um etwas bat, dann erfüllte er einem fast jeden Wunsch. Rosa war es immer rätselhaft geblieben, warum das ihrer Mutter nicht auch aufgefallen war.
    Die Mutter wäre also sicher dagegen, wenn Rosa ausgerechnet in Baldessarinis Tross reisen würde. Aber Rosa beschloss, in dieser Hinsicht ihrem Vater zu vertrauen.
    Beflügelt von ihrem Plan hatte sie die Himbeeren im Nu abgepflückt und rannte geradezu nach Hause.
    »Genau rechtzeitig«, stellte Toni fest, die schon dabei war, den Brei in die braunen Schüsseln mit dem blauen Muster zu verteilen.
    Rosa setzte sich an den Tisch und begrüßte ihre Geschwister und die Mutter mit einem Kopfnicken. Die Mutter sprach ein Tischgebet, dann aßen sie schweigend. Die ganze Zeit drängte es Rosa, endlich von ihrem Plan zu berichten, aber sie wusste, ihre Mutter liebte es nicht, wenn beim Frühstück gesprochen wurde. Nur der Vater hatte es manchmal gewagt, die andächtige Stille zu unterbrechen, was ihm aber vernichtende Blicke der Mutter eingebracht hatte. Wie es überhaupt dazu gekommen war, dass ihre Mutter und er zueinandergefunden hatten, war Rosa immer ein Rätsel geblieben.
    Denn ihre Mutter Ursula entstammte einer alteingesessenen Nürnberger Apothekerfamilie, während ihr Vater in erster Generation als Kartenmacher in Nürnberg ansässig war. Und anders als ihre strenggläubige Mutter war er ein Hallodri, ein Spieler eben, der mit seinen gewagten Spieleinsätzen der Mutter

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