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Die Hexengabe: Roman (German Edition)

Die Hexengabe: Roman (German Edition)

Titel: Die Hexengabe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Mannel
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war und was sie bei ihrer Ankunft in Nürnberg vorfinden würde.

49. Kapitel
     
    D er Alte wurde immer wunderlicher. Jetzt wollte er im kältesten Winter, den Nürnberg je erlebt hatte, zum Christkindlesmarkt gehen. Sogar die Pegnitz war zugefroren. Niemand außer Narren und Kindern spazierte draußen herum.
    »Warum denn das? Meine Füße sind gerade zum ersten Mal heute warm. Wir haben weder Kinder zu bescheren, noch stellen wir einen dieser neuartigen Bäume auf und brauchen also keine Springerle oder goldene Nüsse zum Dranhängen.«
    »Das ist richtig, mein Sohn, aber wir sollten uns bei den Budenbesitzern zeigen, das ein oder andere kaufen, das macht sich gut.« In bester Stimmung warf der Alte sich seinen Dachsmantel sowie Schal und Mütze über und trabte voran.
    »Mein Sohn, wir müssen reden.«
    »Und warum hätten wir das nicht vor dem Kamin tun können?«
    »Weil ich dir etwas zeigen möchte.«
    Was konnte das schon sein? Auf dem Christkindlesmarkt gab es außer Lebkuchen, Honig und Spielzeug nur noch winterliche Kleidung zu kaufen, und von alldem benötigten sie nichts.
    Wir stiegen in klirrender Kälte zum Hauptmarkt hinab. Dort angekommen, kaufte der Alte ein paar Lebkuchen mit Zuckerguss und schleppte mich dann zu einer Bude mit Handschuhen.
    »Ich brauche keine Handschuhe«, protestierte ich.
    Die junge Verkäuferin hatte ein entstelltes Antlitz, das anzusehen mich mit Schrecken erfüllte. Nur ihre Augen waren in dem mit dicken Narben verwulsteten Gesicht klar zu erkennen, und die starrten mich dermaßen hasserfüllt an, dass ich ihrem Blick nicht standhalten konnte.
    Der Alte kaufte fünf Paar Handschuhe. Fünf!
    »Was soll denn das?«, flüsterte ich ihm zu, als er Anstalten machte, noch ein sechstes Paar zu kaufen. Und er schäkerte mit dieser Missgeburt, als wäre er ein junger Stier und kein alter Mann. Doch sie ignorierte ihn geradezu und warf ihm nur stumm die Ware hin, sodass es nur seine weißen Atemwolken waren, die in den Himmel stiegen. Schließlich gelang es mir, ihn wegzuzerren. Mittlerweile waren meine Beine ab den Knien wie eingefroren, und meine Füße spürte ich gar nicht mehr.
    »Warum tust du das?«
    »Ich trage mich mit dem Gedanken, mich noch einmal zu verheiraten.«
    Der alte Bock. Doch ich verkniff es mir, auf sein Alter anzuspielen. »Und warum so eine Hässliche?«
    »Weil ich etwas gutmachen möchte.«
    »Das verstehe ich nicht.«
    »Du kennst sie.«
    »Wie meinst du das?«
    »Nun, das ist Marie-Christin, die Tochter der Verdiers aus Erlangen. Sie hat für dich Safran gesiegelt.«
    Mir schoss das Blut in den Kopf, und ich begann trotz der Kälte, stark zu schwitzen. Ich hätte sie niemals erkannt. Als sie noch bei mir an der Safranwaage gearbeitet hatte, war sie ein Weib wie jedes andere gewesen.
    »Sie hat den Brand schwer verletzt überlebt. Du kannst froh sein, dass sie lebt.«
    »Was soll denn das? Was hätte ich denn mit dem Brand in Erlangen zu tun? Und warum willst du sie heiraten? Ein Samariter auf deine alten Tage? Oho, Angst vor Gott?«
    »In gewisser Weise hast du recht.« Der Alte schlug mit den Armen um sich. »Lass uns wieder nach Hause gehen, diese Kälte bringt einen ja um.«
    Nur allzu gern trat ich den Heimweg an.
    »Aber zurück zu deiner Frage, ja, ich habe Angst vor Gott und meinem sündhaften Sohn. Ich weiß Bescheid: du zündelst fortwährend. Ich folge dir schon seit geraumer Zeit bei deinen nächtlichen Touren, und dein Wahn erfüllt mich mit Grauen. Aber ich bin dein Vater und kann dich deshalb natürlich nicht vor Gericht bringen. Sag mir, warum hast du das Haus ihrer Eltern in Erlangen angezündet?«
    Warum, warum? Seine Worte schlugen in meinen Leib ein wie eine Ladung Hagelschrot.
    Mein eigener Vater war mir hinterhergeschlichen und hatte monatelang nichts gesagt, mich nur beobachtet, wie ein Ameisenforscher sein Insekt. Also hatte ich mir die ständigen Schritte hinter mir doch nicht eingebildet. Immer schon war mir klar gewesen, dass er mir keinen Respekt entgegenbrachte, mich für einen Versager hielt, aber das schlug dem Fass den Boden aus. Wenn wir nicht immer noch mitten auf dem Weihnachtsmarkt gewesen wären, hätte ich ihn niedergeschlagen. So biss ich die Zähne zusammen, ballte die Fäuste in den Taschen meines Mantels und schritt schneller aus.
    »Manchmal frage ich mich, ob es nicht besser gewesen wäre, wenn du doch die Zapfin geheiratet hättest.«
    Ich spürte die Nägel in meinen Fäusten, so fest musste ich sie

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