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Die Hexengabe: Roman (German Edition)

Die Hexengabe: Roman (German Edition)

Titel: Die Hexengabe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Mannel
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ein.
    »Schsch«, machte Dorothea, »streitet nicht! Ich kann nun endlich sterben, weil ich weiß, dass Kaspar dorthin zurückgehen wird, wo seine Wurzeln sind.« Sie hustete. »Raihana, Rosa, seid ihm Vater und Mutter. Ich bitte euch.«
    »Das werden wir, Dorothea, bitte, ich muss noch etwas wissen …«
    Dorothea schloss ihre Augen. »Ich habe auch so viele Fragen und so wenige Antworten bekommen in diesem Leben.«
    Rosa schämte sich, aber sie hatte ebenso große Angst, nie mehr eine Antwort zu bekommen, wenn sie jetzt nicht fragte.
    »Weißt du etwas über ein Geheimnis? Vater hat mir einen Brief geschrieben …« Unwillkürlich war Rosas Stimme lauter und drängender geworden.
    »Still!« Arevhat schüttelte vehement den Kopf. Auch Usha drückte ihr Missfallen mit einem lauten Schmatzen aus.
    Rosa stieg das Blut in den Kopf, weil sie genau wusste, wie selbstsüchtig es von ihr war, ihre sterbende Schwester mit Fragen zu quälen. Aber in ihr brannten die Fragen wie Feuer, wie sollte sie ohne eine Antwort weiterleben?
    »Bitte«, flüsterte Rosa, »ich bitte dich inständig, Dorothea, wenn du etwas weißt über Vater und mich, dann bitte verrate es mir.«
    Dorothea schloss ihre Augen und tätschelte Rosas Hand. »Schon immer warst du so ungeduldig. Ich denke nach, aber ich fühle mich so leer und gleichzeitig voll von Licht.«
    Tränen tropften aus Rosas Augen auf Dorotheas Hand. »Verzeih, Dorothea, das war dumm von mir. Ich, ich … alles, was ich dir sagen will, ist, dass du für mich immer die beste Schwester der Welt warst. Und ich schwöre dir bei meinem Leben, dass ich Kaspar gesund zurückbringen werde. Bitte vergib mir meine Fragen.«
    Dorothea öffnete ihre Augen wieder und lächelte. »Rosa, es ist gut.« Sie seufzte tief und schloss ihre Lider wieder. »Rosa, du musst deine Mutter fragen, nur sie weiß es, denn das Geheimnis liegt in deinem Blut.«
    Sie murmelte leise noch etwas vor sich hin, doch obwohl Rosa ihr Ohr an Dorotheas Mund gepresst hatte, konnte sie nichts mehr verstehen.
    Dorothea atmete nicht mehr.
    Ihre Schwester war tot.
    Arevhat drängte Rosa laut schluchzend zur Seite und nahm Dorothea in ihre Arme, schaukelte sie hin und her, als wäre sie nur ein krankes Kind, das bald wieder gesund würde. Rosa sah den beiden zu. Zorn und Trauer kreisten durch ihren Körper und ließen sie wie betäubt auf dem Boden der Höhle hocken bleiben.
    Das Geheimnis liegt in deinem Blut? Mutter fragen? Dorotheas letzte Worte wirbelten durch ihren Kopf und vermischten sich mit der Erkenntnis, dass sie nun auch ihre Schwester für immer verloren hatte.
    Kaspar, der auch plötzlich zu verstehen schien, was passiert war, begann laut zu heulen.
    Rosa stürzte zu ihm hin. »Schsch, sei still, oder willst du uns alle verraten? Die Krieger des Moguls sind noch in der Nähe.«
    »Ich will zurück in den Harem, ich will zu meiner Amatulkarim.«
    Rosa war kurz davor, ihn zu ohrfeigen, ja, am liebsten hätte sie ihn verprügelt. Ihre Schwester war tot, und dieses Monster dachte nur an sich selbst.
    Ach ja, Rosa, und wer hat gerade eine Sterbende mit rücksichtslosen Fragen gequält? Schau ihn dir an, versuch, ihm Gerechtigkeit angedeihen zu lassen. Wie soll ein Siebenjähriger wirklich verstehen, was geschehen ist?
    Arevhat wurde vom Weinen so heftig geschüttelt, dass Usha sich neben sie setzte und sie in ihre Arme zog.
    »Doro war die einzige Freundin, die ich je hatte«, schluchzte Arevhat. »Der einzige anständige Mensch, dem ich begegnet bin.«
    Doro. Arevhats Worte wirkten wie Schläge in Rosas Gesicht. Sie fühlte sich entsetzlich. Ihre Lieblingsschwester war gerade gestorben, und sie war eifersüchtig, weil Arevhat und Dorothea befreundet gewesen waren, ja, sich vielleicht sogar geliebt hatten. Sie sollte sich darüber freuen, dass Dorothea im Harem nicht einsam gewesen war, stattdessen missgönnte sie Arevhat die Nähe zu ihrer Schwester. Und was noch schlimmer war, sie hatte Kaspar zwar gefunden, aber sie konnte den Sohn ihrer Schwester nicht leiden.
    Sie betrachtete Kaspar, dessen Fettschichten unter seinem von Erde beschmutzten Festgewand vom Schluchzen hin und her schwabbelten. Noch ein einziges greinendes »Amatulkarim« aus seinem Mund, und sie würde ihn schlagen.
    Nichts war so, wie Rosa es bei ihrem Aufbruch erwartet hatte, und das machte ihr große Angst vor dem, was nun vor ihr lag: die Heimreise. Und sie stellte sich beklommen die Frage, ob Luis ihr mittlerweile vergeben hatte und gesund geworden

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