Die Hexengabe: Roman (German Edition)
unmöglich so viele verschiedene Himmel geben konnte. Von hier unten sah es jedenfalls aus, als gäbe es nur einen.
Darüber hätte ich gern mit Usha gesprochen, aber leider hatten sie und Nandi sich dafür entschieden, in Masulipatnam zu bleiben, und wir hatten tränenreich Abschied voneinander nehmen müssen.
Rosa hatte die beiden angefleht mitzukommen, aber sie sagten, sie könnten nicht in einem Land leben, in dem es keine Mangobäume gab.
Nandi hatte uns zugezwinkert und gemeint, das sei wieder eine typische Beeindruckung von Usha, denn eigentlich wollte sie damit nur sagen, dass sie nicht ohne ihre Betelpäckchen leben wolle.
Seine gute Laune fehlte uns allen. Vor allem Kaspar hätte jemanden gebraucht, der ihn hin und wieder aufheiterte. Weder Rosa noch ich waren dazu wirklich in der Lage.
Morgen sollten wir am Kap der Guten Hoffnung anlegen, weil der Wind günstig stand. Von dort würden wir zu den Französischen fahren und Luis abholen.
Doch nach allem, was mir Rosa erzählt hatte, glaubte ich nicht, dass er noch dort sein würde. Warum sollte er auf sie warten, wo es doch überall so viele schöne Frauen gab? Auch erweckte alles, was sie sonst über ihn erzählt hatte, in mir den Eindruck, dass er es nicht allzu lange an einem Ort aushielt.
»Amatulkarim!« Kaspar erwachte mit einem Schrei und begann zu weinen. Ich nahm ihn in meine Arme und versuchte, ihn zu trösten. Für ihn war die Flucht aus dem Harem nichts anderes als die Vertreibung aus dem Paradies. Er würde erst viel später begreifen, vor welchen Gräueln seine Tante ihn gerettet hatte.
Aber bis dahin musste er noch viel lernen, mein armer Habibi.
51. Kapitel
R osa schwitzte unter den bösen Blicken mehr als unter der brütenden Hitze, die sie in Kapstadt empfangen hatte. Die vor der neu erbauten Kirche versammelten Weinbauern musterten Rosa, dann Arevhat und Kaspar, die beide in bunt schillernde Gewänder gekleidet waren, einige schüttelten die Köpfe.
»Du als sein Eheweib«, radebrechte Dr. du Toit in schlechtem elsässisch gefärbtem Deutsch, »hast vorgezogen, ihn todkrank hier zurückzulassen. Was hast du erwartet?« Dr. du Toit strafte Rosa mit verächtlichen Blicken.
»Aber er lebt?« Rosa spürte, dass man ihr nur allzu gern gesagt hätte, er wäre tot. In ihrem sechsten Finger, den sie seit ihrer Abreise aus Indien wieder in einem Handschuh versteckte, kribbelte es, aber er wurde nicht kalt. Die Hugenotten konnten es offensichtlich nicht mit ihrem Glauben vereinbaren, sie anzulügen.
»Was geht es dich an?«, fragte Dr. du Toit.
Arevhat mischte sich ein und versuchte sich mit dem wenigen Französisch, das ihr Dorothea neben Deutsch und Italienisch beigebracht hatte, verständlich zu machen.
»Es gab gute Gründe für Rosa, so zu handeln, denn Luis selbst hat sie fortgeschickt, um diesen Jungen aus den Klauen der Ungläubigen zu befreien.«
»Ein Weib allein?« Die meisten der Hugenottenmänner schüttelten ihre Köpfe und lächelten abfällig.
»Nun, der Junge war in einem Harem, da kommt nur ein Weib allein hinein.«
Rosa musste trotz ihrer Sorge um Luis lächeln, aber sie unterdrückte es sofort. Arevhat konnte messerscharf argumentieren. Siranush wäre so stolz auf ihre Tochter.
»Also bitte«, fuhr Arevhat fort, »wenn Ihr wisst, wo er ist, dann sagt es seinem Weib.«
»Er wird in Kürze wieder hier sein. Er wollte Sklaven für uns kaufen.«
»Sklaven?« Rosa konnte es nicht fassen. Luis kaufte Sklaven für diese wahren und aufrechten Christen. Aber es schien wahr zu sein, denn ihr Finger blieb warm.
»Wir brauchen Hilfe für unsere Rebstöcke, und er versprach, sie uns zu besorgen. Er wollte uns damit danken.«
War es nicht schon genug Dank gewesen, dachte sie, dass sie so viel Gold für den Bau der Kirche gespendet hatte, vor der sie jetzt standen?
»Und er hat nichts für mich zurückgelassen, keinen Brief, nichts?«
»Nein. Er hat auch nie davon gesprochen, dass du zurückkommen würdest. Er hat uns gesagt, du hättest ihn verlassen und ihm sein ganzes Gold gestohlen.«
Rosa hatte das Gefühl, der Boden unter ihren Füßen würde sich öffnen. »Das hat er gesagt?«, stammelte sie tonlos und wurde bleich, als ihr klar wurde, dass du Toit nicht log. Sie wünschte sich, dass ihr Finger kalt würde, eiskalt, sofort.
»Da hat er im Fieberwahn sicher etwas falsch verstanden«, sprang Arevhat in die Bresche. Sie trat zu Rosa, um sie zu stützen.
»Ihr könnt aber nicht hier auf ihn warten.« Dr. du
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