Die Hexengabe: Roman (German Edition)
schon Vorkehrungen mit den Wächtern im Schuldturm getroffen. Denn auch wenn der Bastard noch leben sollte, so würde er nie und nimmer rechtzeitig zurück sein, dessen war ich sicher. Für mich war der fünfzehnte Juli der Tag, an dem meine Rache endlich siegen würde.
Und jetzt eine Eilnachricht aus Venedig? Mir schwante Übles, denn Baldessarini war geizig und würde nie die Eilpost nutzen, wenn es sich nicht wirklich um einen Notfall handelte.
Karl, im nachlässig übergeworfenen Hemd und mit einer Nachtmütze auf dem Kopf, leuchtete herein, zündete die Kerze auf meinem Nachtkasten an und überreichte mir den Brief.
Ich dankte ihm, wartete, bis er nach draußen geschlurft war, und brach Baldessarinis Siegel auf.
Mein lieber Dobkatz , stand da, und danach weigerte sich mein Verstand, das zu verstehen, was folgte:
Schlechte Nachrichten! Bitte verbrennt diesen Brief sofort, nachdem Ihr ihn gelesen habt.
Man hat uns schändlich betrogen. Der elende Priester ist mit unserem Gold durchgebrannt. Doch nicht nur das – er hat meiner habgierigen und eifersüchtigen Frau auch noch davon erzählt, wie wir den Überfall geplant und das Geld für den Sklavenhandel beiseitegeschafft haben. Dann hat dieser Hundesohn ihr angeboten, einen Teil des Geldes zurückzugeben, wenn sie mich dafür vor den Richter bringt. Und weil er ihr eingeredet hat, dass ich das Gold nur dafür haben wollte, um meiner Geliebten einen Palast auf Torcello zu kaufen, hat mein elendes Weib darin eingewilligt. Sie hat es allerdings noch nicht getan, weil sie unsicher ist, ob sie nicht ihre Familie damit der Lächerlichkeit preisgibt. Doch sie hat schon mit dem Notar der Familie gesprochen. Höchste Zeit für mich also, gen Westen zu verschwinden.
Dazu benötige ich Gold, und nun kommt Ihr ins Spiel, lieber Dobkatz. Ihr weist mir zehntausend Golddukaten nach Genua an.
Wenn ich das Geld in Genua nicht bis zum zehnten Juli vorfinde, werde ich Euch mit in den Abgrund reißen. Dann werden entsprechende Dokumente, die ich bereits vorbereitet habe, an die anderen Ratsherren verschickt, Schreiben, die Aufschluss über unsere Tätigkeit im Safranhandel geben und auch über Eure Rolle, was die junge Zapfin angeht.
Dieser widerwärtige Erpresser, dieser elende Makkaronifresser! Mir blieb die Luft weg. Ich musste mich setzen, um den Rest zu lesen. Noch lieber hätte ich den Brief sofort verbrannt.
Und damit Ihr seht, was für ein loyaler Mensch ich immer noch bin, verrate ich Euch auch, dass die Tochter der Zapfin mit einem höchst exotischen Gefolge auf dem Heimweg ist und bis zum fünfzehnten Juli leicht in Nürnberg sein wird. Ich denke allerdings, von ihr geht keine unmittelbare Gefahr aus, denn sie ahnt vielleicht, wer hinter dem Überfall steckt, aber sie hat keinerlei Beweise. Viel gefährlicher für uns ist dieser Hundsfott von Priester, der angedeutet hat, mit dem Nürnberger Rat hätte er auch noch eine Rechnung offen. Nun, wie es scheint, mein lieber Dobkatz, werden wir uns in naher Zukunft wohl nicht wiedersehen. Doch ich verbleibe wie immer und stets Euer Freund und Diener
B.
Ich zerfetzte diesen Brief, zwang mich, nicht noch darauf zu spucken, und lief, außer mir vor Zorn, vor meinem Bett auf und ab, nicht ohne ab und zu gegen den Bettkasten zu treten.
Weder der falsche Priester noch die junge Zapfin durften wieder nach Nürnberg kommen. Doch wie konnte ich das verhindern? Und dann noch der Alte, der mir damit im Nacken saß, ich sollte meine Ämter aufgeben, wäre ihrer nicht würdig. Ich wäre gesundheitlich nicht mehr dazu in der Lage, sollte ich behaupten.
Zum Glück hatten sich seine Heiratspläne dank meiner Zahlungen zerschlagen, jedenfalls so lange, bis der Bruder von Marie-Christin wieder zurück war. Und genau deshalb sollte auch der Nürnberg besser niemals erreichen. Wozu war ich Oberster Losunger?
Gesundheitliche Gründe, eine Eildepesche in der Nacht … Eine Idee begann sich in meinem Hirn breitzumachen. Es war meine Pflicht, Nürnberg vor diesen Eindringlingen zu schützen!
53. Kapitel
J e näher sie dem Frauentor kamen, desto deutlicher konnte Rosa das Läuten der Kirchturmuhr hören. Acht, neun, zehn. Der letzte Schlag verhallte in der Dunkelheit. Rosa stellten sich trotz der warmen Sommernacht alle Haare auf.
Schneller, sie mussten noch schneller sein.
»In zwei Stunden ist meine Frist beim Rat abgelaufen! Zünde eine Fackel an!«, rief Rosa Arevhat zu, sprang von dem Kutschbock ihres Wagens und hämmerte, so
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