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Die Hexengabe: Roman (German Edition)

Die Hexengabe: Roman (German Edition)

Titel: Die Hexengabe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Mannel
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hätte Rosa jetzt gelacht, aber so erklärte sie Arevhat nur müde: »Was da links deinen Gefallen findet, ist die Sebalduskirche, das Rathaus ist dort drüben.« Rosa wies mit dem Kopf nach rechts.
    Arevhat half Kaspar beim Absteigen. Dann legte sie ihre Arme um Rosa und zog ihre Freundin eng an sich.
    Rosa schluckte, das tat Arevhat sonst nie.
    »Was auch immer du von deiner Mutter erfahren hast, denk daran, du bist nicht allein, und du bist stark.«
    Sie ließ Rosa los und lächelte ihr ermutigend zu.
    Rosa wusste nicht, was sie sagen sollte. Sie sollten lieber sehen, dass sie ins Rathaus kamen, denn sie waren schon von Gaffern umzingelt, die ständig mehr wurden. In Windeseile hatte sich auf dem Hauptmarkt herumgesprochen, dass eine indische Prinzessin und ihr Sohn vor dem Rathaus angekommen wären.
    Arevhat nahm die linke Hand von Kaspar, Rosa seine rechte, und so schritten sie durch das Hauptportal ins Rathaus. Ich muss wieder klar werden, dachte Rosa, muss dem Rat Kaspar zeigen und unser Handwerk retten, alles andere soll Mutters Geheimnis bleiben.
    »Hat der Großmogul deiner Stadt immer Audienz? Und kann jeder dorthin?«, fragte Arevhat, und Rosa war ihr dankbar, weil sie gezwungen wurde, sich auf das zu konzentrieren, was vor ihnen lag.
    »Nein, es gibt so etwas wie Bürgersprechstunden, aber seit Jahren tagt der geheime Rat täglich, weil die Ratsherren nichts anderes mehr zu tun haben, als sich Vorschriften auszudenken, um die Handwerker und Kaufleute der Stadt zu quälen.«
    Oder sie waren, wie ihr Vater – das Wort verursachte ihr erneut einen Stich in der Brust – gern behauptet hatte, damit beschäftigt, sich gegenseitig Pfründe und Pöstchen zuzuschieben, um noch mehr Geld zu scheffeln, ohne dabei in den Geruch zu kommen zu arbeiten.
    Ein Ratsdiener hielt sie an und fragte, durch ihren Anblick verwirrt und daher stotternd, nach ihrem Begehr.
    Arevhat wandte sich ihm zu, funkelte ihn dabei so herablassend an wie einen Sklaven, der es gewagt hat, die Königin mit Belanglosigkeiten zu behelligen.
    Kaspar betrachtete die schlichte dunkle Uniform des Dieners mit Interesse, wie ihm überhaupt alles, was er sah, zu gefallen schien.
    »Wer seid Ihr, dass Ihr uns hier belästigt? Bringt uns sofort zum Obersten Losunger. Es soll Euer Schade nicht sein.« Arevhat winkte huldvoll mit einem Silbertaler, was den Ratsdiener zu einer Verbeugung veranlasste.
    Zügig führte er sie durch die langen, hohen Gänge zu dem Zimmer, in dem Rosa vor zwei Jahren mit ihrer Mutter so laut ausgelacht worden war.
    Selbst wenn ich damals schon gewusst hätte, wurde Rosa plötzlich klar, dass der Spielkartenmacher nicht mein Vater ist, so hätte ich trotzdem darum gekämpft, seinen Betrieb weiterzuführen. Er hatte sie geliebt, und alles andere spielte keine Rolle.
    Sie wurden eingelassen, was den sich laut streitenden Rat zum Verstummen brachte. Ja, einer ging sogar so weit, sich zu erheben.
    Rosa erkannte ihn wieder, es war der Ratsherr Wurffbain, der mit der Narbe, dessen Vater die Reiseberichte geschrieben hatte.
    Die anderen Herren folgten seinem Beispiel, nur Dobkatz blieb sitzen und schüttelte den Kopf.
    »Meine Herren! Meine Herren! Was soll denn dieser Zirkus? Behaltet Platz! Es gibt keine Veranlassung, niemand königlichen Geblütes hat diesen Saal betreten.«
    Murrend setzten sich die Herren wieder hin.
    Rosa und Arevhat schauten sich über Kaspers Kopf hinweg an.
    »Also?«, fragte Dobkatz, nachdem sich alle wieder beruhigt hatten.
    »Ehrwürdiger Rat«, begann Rosa, »ich habe meinen Neffen aus Indien nach Nürnberg zurückgeholt, ich habe genau zwei Jahre dafür gebraucht.«
    Dobkatz beugte sich vor und durchbohrte Rosa mit seinen Blicken. »Soweit ich das richtig sehe, haben wir heute den sechzehnten Juli im Jahre des Herrn 1699 und nicht den fünfzehnten. Das sind zwei Jahre und ein Tag. Ihr habt also die Vorgaben nicht erfüllt.«
    Empörung wallte durch ihren Körper. Dobkatz wusste ganz genau, warum sie gestern nicht mehr in die Stadt hineingekommen waren. Sie holte tief Luft, doch da begann schon ein anderer zu reden.
    »Aber, lieber Dobkatz«, mischte sich Wurffbain ein, »jetzt wollen wir doch mal nicht gar so kleinlich sein. Einen Tag hin oder her, und das bei der Torsperre wegen der Pest, das nenne ich einen Erfolg. Unsere tapfere Nürnberger Frau hat es tatsächlich geschafft, diese Reise zu überstehen!« Er erhob sich und klatschte Beifall.
    Dobkatz wischte ihn mit einer Handbewegung weg.
    »Unsinn!

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