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Die Hexengabe: Roman (German Edition)

Die Hexengabe: Roman (German Edition)

Titel: Die Hexengabe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Mannel
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brennen würde, auszuliefern.
    Seit Tagen überlegte sie, wie sie noch zu Geld kommen konnte. Sie hatte sogar schon darüber nachgedacht, ob sie zu den reichen Frauen der Stadt hingehen und ihnen anbieten sollte, ihr Porträt in Kupfer zu stechen. Vielleicht würde sie so noch den einen oder anderen Taler zusammenbringen. Aber was war, wenn man sie schon an der Tür abweisen würde? Wer würde schon ein Bildnis haben wollen, das von einer Hexenhand gemalt worden war?
    Ja, wenn man den Vater damals in der Malerakademie aufgenommen hätte, dann hätte man ihr vielleicht eine Chance gegeben. Aber ihr Vater war abgelehnt worden, obwohl sogar der Kurfürst von Malinburg ein Porträt bei ihm bestellt hatte.
    In diesem Augenblick wurde so heftig an die Tür geklopft, dass Rosa zusammenzuckte. Wer konnte das sein?
    »Geh schon und halte keine Maulaffen feil!«, befahl ihre Mutter, die eben in die Küche gekommen war.
    Wenige Minuten später führte Toni den Venezianer herein, der von einem weiteren, ebenfalls prächtig gekleideten Mann begleitet wurde. Er war jünger als Rosa, aber größer als Baldessarini.
    Rosas Herz klopfte schneller. Was hatte das zu bedeuten?
    Baldessarini deutete eine Verbeugung an und wandte sich an ihre Mutter.
    »Mi dispiace molto, was vor zehn Tagen im Haus meines Freundes geschehen ist. Ich möchte das aus der Welt schaffen. Ich wäre schon früher gekommen, aber die Messe in Leipzig wird immer wichtiger. Manche behaupten sogar, Nürnberg werde bald gänzlich an Bedeutung verloren haben. Aber verzeiht, ich will Euch nicht langweilen. Nun, Eure Tochter hat vor ein paar Tagen ein wenig überreagiert. Die Jugend! Ihr Mann war ein guter Freund des Hauses, und da möchten wir natürlich gern helfen.«
    Rosa fand, ihre Schwestern glotzten geradezu peinlich auf die beiden Männer, aber dann wurde ihr klar, dass sie nicht sehr viel anders dastand und die beiden genauso fassungslos anstarrte. Was hatte den Mann bewogen, seine Meinung zu ändern?
    »Wollt Ihr Euch nicht setzen und etwas trinken?«, fragte sie und zeigte auf die Bank.
    Baldessarini griff sich einen Schemel, der andere tat es ihm nach. Sie setzten sich.
    Dann wandte er sich an den jüngeren Mann.
    »Giacomo«, sagte Baldessarini und zeigte mit weit ausladenden Armbewegungen auf Rosa. »Hier siehst du deine Reisegefährtin für die nächsten Wochen: Rosa Sibylla Zapf. Für zwei Fass Karten verhelfen wir ihr zu einer Reisegelegenheit nach Venedig. Für den Proviant muss sie selbst aufkommen und ihn bei sich führen. Allerdings haben wir nur noch einen Platz auf einem der Transportkarren, neben dem Kutscher, zu bieten.«
    Nur das Stechen im Knöchel hinderte Rosa daran, wie besessen durchs Zimmer zu tanzen. Jetzt konnte sie es schaffen! Sie hatte sich ausgerechnet, dass, wenn sie bis November auf einem Schiff nach Indien wäre, sie genug Zeit haben würde, um Kaspar zu finden und rechtzeitig zurück zu sein. Sie warf ihrer Mutter einen triumphierenden Blick zu.
    »Wann geht es los, was brauche ich alles, und wer ist Tschackomoh?«
    »Rosa!« Der Blick ihrer Mutter war vernichtend, und Rosa versuchte, sich zu beruhigen, aber es gelang ihr nur schlecht.
    »Das sind eine Menge Fragen auf einmal. Giacomo Luigi Pirandello di Lontano, das ist mein jüngster Schwager, ein Bruder meiner Frau und mein Juniorkompagnon.«
    Rosa betrachtete den schwarzhaarigen Giacomo genauer. Er trug ebenfalls Kniehosen und einen langen Rock, doch die Stoffe schimmerten hellgrau und waren sehr viel dünner als die von seinem Schwager, ohne eingewebte Goldfäden, und die Knöpfe waren nicht aus Gold, sondern aus einem weißen, geschnitzten Material, das Rosa noch nie gesehen hatte. Trotzdem wirkte Giacomo sehr viel edler als der Kaufmann.
    »Werdet Ihr meiner Tochter dann auch dabei helfen, ein Schiff zu finden, das sie mit nach Indien nimmt?«, fragte ihre Mutter, die jetzt ihre Fassung wieder zurückgewonnen hatte.
    »Naturalmente, Signora. Ich habe gute Beziehungen in Venedig, und in der Serenissima gibt es so viele Schiffe …«
    Rosas sechster Finger wurde kalt. Was sollte das denn wieder bedeuten? Unbestreitbar gab es im Hafen von Venedig viele Schiffe, das wusste sogar sie. Also sprach der Venezianer darin die reine Wahrheit.
    »Kann ich mich darauf verlassen?«, fragte ihre Mutter.
    »Bei meiner Ehre!« Der Venezianer war empört.
    Rosas Finger blieb eiskalt.
    Baldessarini war also, wie der Priester gesagt hatte, kein Ehrenmann. Wenn er aber kein Ehrenmann war,

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