Die Hexengabe: Roman (German Edition)
schaffen?«
Ihre Mutter stürmte mit rotem Kopf herein.
»Es tut mir leid.« Rosa ging ihr entgegen, um ihr den Wind aus den Segeln zu nehmen.
»Was hattest du hier zu suchen? Dein Vater ist tot. Wir müssen weitermachen und haben keine Zeit zu vertrödeln.«
Ja, dachte Rosa, Mutter hat recht, ich habe keine Zeit zu vertrödeln. Ich sollte mich lieber beeilen, damit ich so schnell wie möglich zu Dorothea komme und so vielleicht erfahre, was mir hier niemand verraten will. Außerdem waren schon kostbare drei Wochen von den siebenhundertdreißig Tagen vergangen, die ihr der Rat zugebilligt hatte.
Nichts ersehnte sie mehr, als endlich Abschied von Nürnberg nehmen zu können.
9. Kapitel
A uf die Reise!« Ich hob mein Glas und stieß mit Baldessarini an.
»Auf uns, auf unseren Reichtum«, prostete er mir zu.
Wir tranken beide große Schlucke.
»Seid Ihr auch sicher, dass er vertrauenswürdig ist?«
Baldessarini riss seine Augen weit auf. »Warum denn nicht?«
»Weil er ein katholischer Priester ist.«
»Ihr treibt Handel mit mir, und auch ich bin Katholik.«
»Ich weiß nicht recht, irgendetwas an ihm gefällt mir nicht.«
»Ihr seid ein elender Schwarzseher, Dobkatz. Nehmt Euch ein Beispiel an Eurem Vater. Der wusste sein ganzes Leben lang, wie man es genießt.«
»Auch er wird langsam wunderlich, und er würde unseren Plan nicht gutheißen.«
»Nun denn, er ist ein alter Mann. Ihm ist entgangen, dass Nürnberg und Venedig an Bedeutung verloren haben. Durch die Westindienfahrer hat sich alles verändert. Wir müssen neue Wege finden, um als Kaufleute im Geschäft zu bleiben. Und der Sklavenhandel für die Neue Welt wird die Menschheit und natürlich auch uns nach vorne bringen.« Baldessarini hob sein Glas, drehte und wendete es so, dass sich das Licht im Kristall funkelnd brach. »Mir gefällt der Gedanke, dass ein Mann Gottes sich persönlich um unsere Sklaven kümmern wird. Er wird aus den Heiden sogar Christen machen, bevor wir sie verkaufen. Dann sind sie mehr wert.«
»Ich glaube, das ist es, was mir nicht gefällt. Hätte ein Mann Gottes nicht mehr Abscheu zeigen müssen bei unserem Plan?«
Baldessarinis Lachen schüttelte seinen ganzen Körper und brachte den Rotwein zum Überschwappen.
»Dobkatz, Ihr seid nicht nur ein elender Schwarzseher, Ihr seid im tiefsten Inneren auch noch ein Romantiker. Glaubt Ihr, jeder Priester wäre wie Jesus mit seinen Jüngern? Seht sie Euch doch an, die Jesuiten in Mexiko oder in Goa. Wenn die Schwarzen dort nicht brav sind, geht es ihnen an den Kragen. Und man hört sogar von Mönchen, die behaupten, dass das Zölibat nicht für schwarze Weiber gelte, sondern der Akt mit ihnen vielmehr als Mission gezählt werden dürfe.« Baldessarini grinste und hielt sein Weinglas an den Mund, bis die Hälfte in seine Kehle geflossen war. »Nur schade, dass ich das meiner Caterina nicht auch so verkaufen kann.«
»Und wenn unser Plan misslingt?«
Baldessarini richtete sich ungehalten auf. »Hat schon jemals einer unserer Pläne nicht funktioniert?«
Leider fiel mir sofort die Kleine aus Erlangen ein, von deren Ende ich Baldessarini nie etwas erzählt hatte, um ihn nicht nervös zu machen. Und obwohl ich wusste, dass Baldessarini meine Zweifel hasste, konnte ich es nicht lassen, ihn noch einmal zu fragen. »Und das Weib mit dem Hexenfinger?«
Baldessarini verzog seinen Mund. »Na ja, mein lieber Freund, wenn sie wirklich eine Hexe wäre, könnte es natürlich sein, dass unser Plan misslingt. Aber …«, er schlürfte genüsslich den letzten Rest Wein aus seinem Glas, »… es ist doch ganz klar, dass nur wir wirklich einen Pakt mit dem Teufel geschlossen haben.«
Er kicherte, als hätte er einen Witz gemacht, dabei war es uns beiden blutiger Ernst.
»Und was wäre daran auch schlecht? Dobkatz, jetzt schaut nicht immer so griesgrämig. Steht nicht schon in der Bibel, Gott hilft denen, die sich selbst helfen? Und jetzt lasst uns hinübergehen – mir ist nach einer ordentlichen Portion Fleisch.«
Er hievte sich hoch und bedeutete mir, ihm zu folgen. Manchmal wunderte es mich geradezu, dass unter seinem dicken Bauch kein Bocksbein zum Vorschein kam. Der Unterschied zwischen uns lag darin, dass er genoss, was er tat. Ich aber wurde nur von den Furien der Vergangenheit getrieben, ohne jede Freude an meinem Tun. Und so folgte ich ihm ohne jeden Appetit.
10. Kapitel
J e näher wir dem Lager kamen, desto mehr wirkten die Fackeln, die rund um das rote Zeltlager
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