Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Hexengabe: Roman (German Edition)

Die Hexengabe: Roman (German Edition)

Titel: Die Hexengabe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Mannel
Vom Netzwerk:
außer ihr? Warum waren die Räuber derartig grausam gewesen? Hätte es nicht gereicht, ihnen alles wegzunehmen?
    Plötzlich sackte sie in sich zusammen. Der Degen fiel ihr aus der Hand, weil sie versuchte, sich mit der rechten Hand abzustützen. Doch sie schaffte es nicht, landete unsanft auf ihren Knien und fiel nach vorne auf die Steine.
    Als Rosa das nächste Mal zu sich kam, brannte die Sonne wie Feuer auf ihren entblößten Beinen. Als hielte man eine Kerze an ihre Wunden. Sie drehte sich auf den Rücken, obwohl sie vor lauter Schmerz kaum atmen konnte.
    Mücken schwirrten um sie herum, aber unter das Summen der Mücken mischte sich noch etwas anderes, ein Rasseln. Sie hielt den Atem an, um das Geräusch besser hören zu können – nichts. Sie versuchte, sich aufzusetzen, das Rasseln kam wieder, es kam aus ihrer Brust.
    Das Aufsetzen war unmöglich, in ihrem Rücken stach es, als würde jemand Dolche durch ihre Rippen bohren. Ihr Kopf fiel zurück.
    Unwillkürlich starrte sie mit dem rechten Auge, das nicht vollkommen zugeschwollen war, in den Himmel, der sich gleißend blau über ihr wölbte, ohne eine Wolke. Geblendet schloss Rosa ihr Auge wieder. Hundstage … Tonis besorgter Kommentar zu ihrer Abreise dröhnte durch ihren Kopf: ›Wann einer an den Hundstagen auf Reisen geht, kommt er gemeiniglich ungesund wieder nach Haus oder erleidet am Leib und seinen Sachen Schaden.‹ Und wenn ich rückwärts durch die Tür gegangen wäre, dachte Rosa zusammenhanglos, dann wäre mein Vater nicht vom Pferd gefallen.
    Nicht bewegen. Wenn ich ganz still daliege, dann ist der Schmerz nur ein Traum, dachte sie. Dann bleibt der Schmerz auf der Erde, und ich schwebe davon. Fliege nach Hause, wo der Vater auf mein Kommen wartet. Rosas aufgeplatzte Lippen verzogen sich zu einem Lächeln.
    Sie sah sich mit ausgebreiteten Armen über die schneebedeckten Alpen fliegen. Es war ganz leicht, staunte sie, so leicht, der Wind schmiegte ihre zerfetzten Röcke eng an ihren Körper, umschmeichelte ihren geschundenen Leib, löste ihr Haar, trug sie wie auf einem unsichtbaren Teppich aus Luft, der nach süßem Klee und Rosen, nach gemähtem Gras und Honig duftete. Sie atmete diesen Geruch tief ein. Nichts tat jetzt mehr weh, nichts rasselte. Da waren nur Wind und Stille. Sie flog immer schneller nach Hause, ihr Zuhause, das in diesem Licht verborgen war, einer schimmernden, sich schneller und schneller drehenden Sonne.
     
    Jemand packte sie, zerrte sie von der Sonne weg.
    »Nein«, stöhnte Rosa. Sie wollte da nicht weg. »Nein!«
    »Carlo, bring Wasser! Wenn wir uns nicht beeilen, dann stirbt uns die Kleine. Sie ist völlig ausgetrocknet.«
    Rosa stürzte ab, zurück auf die Erde, ihr Köper wurde schwer von Schmerz. »Nein.«
    Dann wurde ihr Gesicht plötzlich kalt, nass und kalt.
    »Carlo, jetzt steh hier nicht rum und halte Maulaffen feil, sondern mach dich nützlich! Bring Verbandszeug her, und Wasser, wir brauchen mehr Wasser. Der Fluss da unten ist voll davon, also steh hier nicht rum!« Etwas klatschte ein paar Mal.
    Die Geier, dachte Rosa, die Geier sind zurück und schlagen ihre Flügel zusammen. Rosa versuchte, sich vom Klatschen wegzubewegen, aber da war ein Hindernis.
    »Schschsch«, flüsterte eine Stimme in ihr Ohr. »Wär doch schade um dich. Du bist doch ganz offensichtlich etwas Besonderes …«
    Obwohl Rosa die Worte hören konnte, verstand sie nicht, was sie bedeuten sollten.
    »Oder willst du den Halunken, die dir das angetan haben, die Genugtuung geben und jetzt wegsterben?« Die Stimme brabbelte immer weiter.
    Eine Frau, das war eine Frauenstimme.
    Rosa blinzelte. Direkt über ihr lächelte sie ein dunkel gegerbtes Gesicht an. Die Frau griff unter Rosas Kopf und bettete ihn auf ihren Schoß. Sie war dabei so behutsam, dass Rosa keinen Schmerz spürte und verwundert wahrnahm, wie angenehm sich das anfühlte. Geborgen. Sie wollte etwas sagen, aber sie brachte keinen Ton hervor.
    Die Frau wiegte Rosas Kopf leicht hin und her. Dabei klingelten die vielen Silber- und Goldketten und -reife, die die Frau um den Hals und an ihren Armen trug.
    Rosa schloss ihr Auge wieder. Dieses Klimpern und Klingeln, wie von Feen. Ob das zu ihrem Traum von dem Licht dazugehörte?
    Doch dann hörte sie eine andere Stimme, eine Männerstimme. Sie zuckte zusammen. Weg, sie musste sofort hier weg. Kein Traum, das war kein Traum.
    Hufgeklapper und Geratter. Steinschlag. Brüllende Männer. Peitschen. Schüsse.
    »Schsch, du bist in

Weitere Kostenlose Bücher