Die Hexengabe: Roman (German Edition)
etwas, um ihren Busen einzuschnüren. Sie versuchte es mit einem weißen Schal, der über einem klapprigen Stuhl hing, wickelte ihn mehrfach fest um ihre Brust, dann zog sie das Hemd darüber. Sie wirkte dicker, aber man sah nichts mehr von ihrem Busen. Gut. Sie beschloss, den Lederbeutel in den Gürtel einzunähen, und der Dolch musste in eine Schlaufe hinten in der Hose. Ohne den würde sie nirgends mehr hingehen. Sie musste auch Nähzeug kaufen. Dann band sie mit dem Gürtel die Hose fest und fand sie erstaunlich bequem. Schließlich zog sie Strümpfe und Schuhe über, die ungewohnt klotzig waren. Sie machte ein paar Schritte. Männer gingen breitbeinig. Sie steckte eine Hand in die Hosentasche und zwang sich zu einem festen Schritt. Dann stülpte sie eine Mütze über ihren kahlen Schädel.
Während sie ihre Verkleidung vervollständigte, musste sie an den Priester denken, und sie fragte sich, ob die katholische Tracht oder der silbern schimmernde Umhang eines Edelmannes seine Verkleidung war. Oder war er in Wirklichkeit noch jemand anders?
Sie griff sich noch einen Umhang und zwei Paar Handschuhe, zog sich eines gleich an und steckte die anderen ein, dann warf sie einen prüfenden Blick in den Spiegel und war verblüfft über das, was ihr da entgegenblickte. Ein sehr junger, etwas ramponierter Bursche, aber ganz ohne Zweifel ein junger Mann. Sie verließ den Raum und trat wieder zu dem Alten und Paolo.
»Das ist unnatürlich, ein Weib in Hosen«, erklärte Paolo.
»Das ist egal, frag, was mich diese Gewänder kosten, und lass uns gehen!«
Der Alte verlangte einen Dukaten zurück, was Rosa wie Wucher vorkam, aber sie hatte ja noch zwei als Spieleinsatz und endlich saubere Kleider.
Der Regen hatte aufgehört und die Sonne schon alle Pfützen getrocknet, als sie wieder aus dem Laden des Alten traten, und die Luft roch wie frisch gewaschen.
Während Paolo sie auf dem schnellsten Weg zum Hafen führte, erzählte Rosa ihm, wie heldenhaft Giacomo gestorben war, allerdings war sie in Gedanken schon bei den Kartentricks, die ihr Vater ihr beigebracht hatte. Sie konnte es kaum erwarten, an Geld zu kommen.
25. Kapitel
S chon als sie sich dem Hafen näherten, entdeckte Rosa zwei prächtige Segelschiffe, die weit draußen ankerten und viel größer waren als alle anderen, die sie bisher gesehen hatte. Paolo erklärte ihr stolz, das seien die Segelschiffe der Vereinigten Ostindischen Kompanie, mit denen auch sein Vater Handel betrieb. Das größere sei die Amalberga von Gent und das kleinere die Vrouwe Elisabeth .
Rosa konnte sich kaum sattsehen an den vergoldeten Holzschnitzereien der Wappen, die am hinteren Ende des Schiffes angebracht waren und in der Sonne aufblitzten: zwei Löwen, umgeben von geschnitzten Wimpeln und Girlanden.
Jetzt, dachte sie, jetzt komme ich endlich von dieser Stadt aus Lügen und Steinen weg!
»Ich muss auf eins dieser Schiffe.«
»Dann meldest du dich am besten dort drüben bei dem Profos.« Paolo zeigte mit dem Finger auf einen kräftigen, bartlosen Mann, der an der Mole an einem kleinen Pult stand. Kniehose, Wams und Jacke waren in schlichtem Schwarz, auf dem der weiße kleine Spitzenkragen geradezu blendend hell wirkte. Seine schmalen Lippen bewegten sich konzentriert, während er eine Liste mit einem Federkiel durchging und Haken machte.
Rosa hätte ihm bei dem hektischen Treiben, das am Kai herrschte, niemals Beachtung geschenkt.
»Aber«, fuhr Paolo fort, »ich dachte, du wolltest mit Spielkarten zu Geld kommen?«
Rosa starrte auf die Kisten und Truhen, Tonnen und Fässer, die mit kleinen Booten zu den Segelschiffen gebracht wurden, die weiter draußen ankerten. Sie wollte, sie musste auf so ein Boot.
»Paolo, jetzt sind diese Schiffe hier, ich muss also direkt anheuern, denn die werden hier nicht liegen bleiben, bis ich genug Geld für die Überfahrt verdient habe, oder doch?«
Paolo lächelte. »Ja, das Liegen im Hafen kostet viel Geld. Darüber schimpft Papa auch immer, weil er findet, dass die Matrosen beim Ladunglöschen viel zu langsam sind.«
Seeleute und Soldaten liefen herum, riefen sich Sprüche zu, Rosa erkannte italienische, aber auch spanische und französische Sprachfetzen.
»Paolo, ich muss es versuchen! Ich danke dir für deine Hilfe. Für alles.«
Rosa klopfte auf Paolos Arm und ging dann zielstrebig zu dem Mann an dem Pult, der leise vor sich hinmurmelte, während er etwas aufschrieb. Es klang wie »Zweetüsend Heringe, oucht Fass
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