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Die Hexengabe: Roman (German Edition)

Die Hexengabe: Roman (German Edition)

Titel: Die Hexengabe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Mannel
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wurden ja nur die Besatzungsmitglieder so gut ausgesucht und vereidigt. Während Rosa nachdachte, steuerten ihre Füße schon die Spelunke an, um deretwillen sie sich die Männerkleider angezogen hatte.
    In diesem Augenblick wurde die Tür vom Papagallo innen aufgestoßen und ein junger Mann in hohem Bogen hinausgeschleudert, der zusammengekrümmt liegen blieb. Derjenige, der das getan hatte, ballte drohend seine Fäuste und brüllte italienische Flüche und Worte, die Rosa nicht kannte. Sie beugte sich zu dem Mann, den man vor ihre Füße geschleudert hatte. Sein Gesicht war jetzt schon blau und geschwollen wie von Schlägen oder Tritten. Der Mann stöhnte, als ob er schreckliche Schmerzen hätte. Ständig stolperten Männer über die Beine des Verletzten, weil sie ein Hindernis auf dem Weg in die Kneipe waren. Rosa zog und zerrte den schweren Körper etwas zur Seite, dann hockte sie sich wieder neben ihn.
    »Terra armena oder Ringelblumensalbe«, murmelte sie vor sich hin und riss ein Stück Stoff von ihrem neuen Leinenhemd ab, um eine stark blutende Wunde am Handgelenk zu verbinden.
    Während sie das Tuch festband, fragte sie sich, ob ihr Verhalten Manns genug war. Hätte sie nicht vielleicht dem Verletzten eher einen Tritt geben, verächtlich lachen und weitergehen sollen, statt niederzusinken und ihn zu versorgen?
    Der Mann drehte sein Gesicht voll zu ihr hin.
    »Danke«, stammelte er, dann schloss er die Augen.
    Rosa überlegte, was sie nun tun sollte. Am liebsten wäre sie weggelaufen. Sie brauchte einen Platz auf dem Schiff und konnte sich jetzt keine Samariterdienste leisten.
    Aber dann dachte sie daran, wie Siranush sich um sie gekümmert hatte. Wo wäre sie denn, wenn die damals weggeschaut hätte? Tot am Brenner, vertrocknet und von den Geiern verspeist. Nein, sie konnte den Mann nicht liegen lassen, zumal einer seiner Füße seltsam verdreht zu sein schien.
    »Wo wohnt Ihr denn, wo soll ich Euch hinbringen lassen?«, fragte sie ihn.
    Der Mann versuchte zu antworten, aber seine Stimme war sehr schwach.
    »Nirgends«, verstand Rosa, »Schiff«, dann: »Er wird sauer sein.« Dann verstummte der Mann, spuckte Blut und murmelte: »Muss aufs Schiff.«
    »Welches Schiff?«, fragte sie nach.
    » Amalberga . Der Doktor wartet schon.«
    Wollte er damit sagen, der Arzt wusste schon, dass er verletzt war? Nein, das konnte nicht sein.
    »Ich verstehe Euch nicht.«
    Der Junge winkte Rosa, dass sie näher zu seinem Gesicht kommen sollte.
    »Bring mich auf die Ama ! Ich bin der Gehilfe vom Doktor, der kann mir helfen«, keuchte er.
    Als Rosa endlich verstand, was der Junge ihr sagen wollte, begann in blitzartiger Geschwindigkeit ein Plan Gestalt anzunehmen. Das war die Chance, auf die sie seit Wochen gewartet hatte, und sie musste sie nutzen. Schnell.
    Sie würde ihn nicht zurück aufs Schiff bringen, sondern an seiner Stelle hingehen. Der Bursche hier war gar nicht in der Lage zu arbeiten, viel zu schwer verletzt, beruhigte Rosa ihr Gewissen.
    Sie versuchte, es dem Verletzten so bequem wie möglich zu machen. Dann fragte sie jeden Mann, der in die Kneipe wollte, ob er ein Boot hatte, mit dem er sie zur Amalberga von Gent übersetzen könnte.
    Es dauerte lange, bis sie einen fand, der bereit war, seinen Besuch in der Kneipe zu verschieben. Und sie musste ihm die beiden Dukaten, die sie von dem Kaufmann bekommen hatte, versprechen.
    Je näher sie mit der kleinen Schaluppe dem gewaltigen Segelschiff kamen, desto größer erschien es Rosa. Dass so ein gewaltiger Rumpf aus Holz überhaupt schwimmen konnte? Von Deck hingen Strickleitern herab, an denen man nach oben kletterte. Rosa schauderte, als sie sich vorstellte, dass sie ausrutschen und ins Meer fallen würde, und sie bewunderte, mit welcher Geschicklichkeit die Matrosen von den anderen Booten mit Lasten auf dem Rücken emporklommen.
    Als sie endlich das obere Deck betrat, staunte sie noch mehr. Hunderte von Menschen wimmelten herum, Segel wurden aufgerollt und überprüft. Gerade fragte sie sich, wie man überhaupt in den Ausguck oben am Mast hinaufkam, ohne vorher herunterzufallen, als jemand einen Eimer Wasser auf ihre Füße kippte und sich königlich über ihr Zurückzucken amüsierte.
    »Hier wird gearbeitet, was stehst du hier herum?«, feixte ein stämmiger junger Mann.
    Wenn sie nur wüsste, wo sie jetzt hinmusste. Jeder schien zu wissen, was er tun sollte, man würde misstrauisch werden, wenn sie ihren Platz nicht kannte.
    Ein zartes Bürschchen, noch kleiner

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