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Die Hexengabe: Roman (German Edition)

Die Hexengabe: Roman (German Edition)

Titel: Die Hexengabe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Mannel
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an, winkte Karl, damit er die Reste der Bratwürste mit Sauerkraut abräumen und noch ein Bier bringen sollte.
    »Die Zapfin ist hoch verschuldet. Ich werde sie in den Schuldturm werfen lassen, denn schließlich wird, wie wir ja wissen, ihre Tochter niemals mehr aus Indien heimkehren.«
    Der Alte zog an seiner Pfeife und stieß ein paar Wolken in die Luft, bevor er mir endlich antwortete:
    »Zuallererst solltest du, mein Sohn, dafür sorgen, dass du richtig informiert wirst, und zum Zweiten habe ich dir schon einmal gesagt, man könnte es als Akt der Rache ansehen, wenn du sie so behandelst.«
    Rache, was wusste ausgerechnet der Alte schon von Rache oder gar von Liebe?
    »Was willst du damit sagen?«
    »Nun, ich habe einen alten Freund, der in Bozen am Handelsgericht arbeitet und mir hin und wieder die Freude eines Briefes macht. In seinem letzten Brief schreibt er von einem seltsamen Rechtsfall, den sie gerade erst in Bozen verhandelt haben: Eine vom fahrenden Gewerbe wurde erschossen, und ihr Mörder, der selbst ebenfalls schwer verletzt wurde, behauptete, das sei ein Versehen gewesen, denn er hätte eine blonde Hexe aus Nürnberg töten wollen, eine mit sechs Fingern statt mit fünf. Eine, die mehr Leben hätte als eine Katze und mit dem Teufel im Bunde sei. Doch die sei entkommen. Allerdings war der Mann nicht sehr vertrauenswürdig und starb kurze Zeit später ebenfalls an seinen Verletzungen, die ihm der Beischläfer der Vagabundin beigebracht hatte. Auch jener wurde festgenommen und sollte wegen Mordes aufgehängt werden, allerdings konnte er fliehen. Nun, das wirft zum einen ein schlechtes Licht auf die Gerichtsbarkeit in Bozen …« Er zog kräftig an seiner Pfeife und fuhr fort: »… und zum anderen klingt es ganz so, als würde die Tochter der Zapfin noch leben. Oder glaubst du, es gibt so viele Blonde mit einer Hexenhand aus Nürnberg?«
    »Geschwätz, nichts als Geschwätz!« Trotzdem wurde mir der Kragen eng. Wenn das wahr wäre … Unmöglich. Baldessarini hatte doch zum Beweis ihre Kette bekommen.
    »Ganz wie du meinst, mein Sohn. Aber ich denke, du solltest die Weiber in Ruhe lassen, bis die zwei Jahre um sind. Das lässt dich besser aussehen, dich und mich.«
    »Ich mache jetzt ein paar Schritte.« Bevor ich noch jemandem an die Gurgel gehe, fügte ich in Gedanken hinzu, stand auf, stürmte in den Flur, nahm dort meinen Umhang und verließ das Haus.
    Ich würde Wege finden, den Weibern das Leben zur Hölle zu machen, ohne dass der Alte es mitbekäme. Wut loderte durch meinen Körper und verlangte dringend nach einer Entladung.
    Ich schritt schneller aus, meinem Ziel entgegen.

23. Kapitel
     
    R osa hatte nun schon fünf Nächte auf der Straße ge schlafen und nur das gegessen, was andere weggeworfen hatten. Sie fühlte sich fiebrig und mutlos.
    Wie jeden Tag galt ihr erster Besuch dem Hafen, um zu sehen, ob neue Schiffe gekommen waren. Sie schleppte sich in die Nähe der Wirtshäuser. Am liebsten zum Il Papagallo , denn einmal hatte ein Matrose ihr dort einen Gigliato hingeworfen, als sie im strömenden Regen eingedöst war. Damit hatte sie sich dann ein Brot gekauft. Doch das schien schon ewig her, sie fühlte sich nur noch schmutzig und leer.
    Immer öfter kamen ihr die mahnenden Worte ihrer Mutter in den Sinn, ja, es war wahnwitziger Hochmut gewesen, zu glauben, sie würde eine so weite Reise hin und zurück ohne Weiteres durchstehen.
    Eine Gruppe Seeleute blieb vor dem Papagallo stehen.
    »Morgen sollen die Holländer da sein, dann werden wir ja sehen. Meine Wette gilt noch«, erklärte ein kleiner, schlaksiger Junge, kaum älter als Rosas Schwestern.
    Ein dickbäuchiger Glatzkopf lachte meckernd und klopfte dem Jungen so stark auf die Schulter, dass der ins Torkeln kam. »Ich hab noch nie’ne Wette verloren.«
    Der Junge grinste verschmitzt. »Ich auch nicht.«
    »Los, Männer, an die Fässer und an die Karten!«
    Diesen grinsenden Jüngling, den würde ich doch sofort besiegen, dachte Rosa. Die sich so sicher fühlen, sind am dämlichsten.
    Sie seufzte. Als Mann könnte sie einfach mitgehen und die Männer beim Kartenspielen ausnehmen. Aber dort drin waren nur Huren, und mit denen spielten die Männer keine Kartenspiele.
    Sie sah an ihrem zerlöcherten, schmutzigen Kleid herunter und dachte an ihren kahlen Schädel, und mit einem Mal kam Rosa ein Gedanke. Wenn man die Karten nicht ändern kann, darf man es zur Not mit einem Trick versuchen …
    Mit einem weiten Hemd, Hosen und einer Mütze

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