Die Hexengabe: Roman (German Edition)
reingeschaut?«
Rosa schüttelte den Kopf und sah, dass Willems Blick unter die Hängematte glitt, wo sie dann eine Kiste ausmachen konnte.
Sie ging dorthin und schlug den Deckel zurück.
»Von außen sieht das Ding ja aus wie’ne ordentliche Seekiste der Vereinigten Ostindischen Kompanie«, sagte Willem, »drinnen sein müsste eigentlich: eine Hose, ein wollenes Unterhemd, vier blaue und vier weiße Hemden, leinenes Unterzeug, fünf Paar Strümpfe, drei Paar Schuhe, ein Hut, drei Mützen, zwei Schlafmützen, ein Kopfkissen, eine Hängematte, eine Decke, Seife, ein Nähkasten, zwei Messer und eine Schere, zwei Becher und zwei Löffel und drei Kannen. Und natürlich ein paar extra Lebensmittel, Käse, Rauchfleisch, Sirup und Kuchen.«
Rosa hatte die Kiste durchsucht, und in der Tat hatte Willem ganz richtig vermutet, es gab nur noch das Geschirr, eine Decke, ein Paar Strümpfe und zwei Hemden.
»O Mann, das wird hart für dich. Wie viel hast du denn bezahlt?«
»Zu viel«, seufzte Rosa, weil sie nicht wusste, was sie sagen sollte, »viel zu viel.«
»Trotzdem hast du’s gut.« Willem sah sich pfeifend um. »Ist zwar’n bisschen luftig, aber hier stinkt’s wenigstens nicht so. Besuch mich mal im Zwischendeck, dann weißt du, was ich meine.«
Rosa hörte ärgerliches Rufen.
»O Mann, der Profos meint mich, ich muss weg.«
Willem rannte los, und Rosa lief zurück zu der Kajüte des Arztes und öffnete die Tür. Durch ein winziges Fenster fiel nur wenig Licht herein. Unter dem Fenster befand sich ein kleiner Tisch, auf dem eine Laterne stand. Rechts neben dem Fenster war eine Koje, auf der ein stöhnender Mann mit langen weißen Haaren lag. Er roch nach Schnaps und Schweiß und war entweder gestürzt oder hatte sich geprügelt. Kratzer über dem Gesicht, ein blaues Auge. Außerdem war er offensichtlich betrunken, was Rosa sofort als Vorteil erkannte. Wenn sie großes Glück hatte, würde er erst nach dem Auslaufen bemerken, dass Hermann nicht zurückgekommen war.
Deshalb hoffte sie, dass sie bald ausliefen und der Profos vom Kai nicht auf diesem Schiff war, sondern auf dem anderen, der Vrouwe Elisabeth .
Sie hätte dem Schiffsarzt gern eine kühle Kompresse aufgelegt, um ihn zu beruhigen und für sich einzunehmen, aber sie wusste nicht, wo sie Wasser finden konnte. Ob ihn eine Dosis Branntwein beruhigen würde? Sie überlegte kurz, ob es Ärger geben könnte, wenn sie seine Sachen nach Trinkbarem durchsuchte, dann entschied sie sich dagegen.
Der Arzt setzte sich auf und starrte Rosa an. Dabei hielt er sich stöhnend den Kopf.
»Wer bist du denn überhaupt?«
»Euer Gehilfe!« Rosa versuchte, empört auszusehen. »Ihr habt mich am Hafen angeheuert.«
Der Arzt kratzte sich am Schädel und schloss seine Augen. »Ich erinnere mich nicht an dein Gesicht, das muss von den Schlägen kommen. Aber du bist nicht der Gehilfe, den ich aus Amsterdam mitgebracht habe. Wo ist Hermann?«
»Er hat sich beide Beine gebrochen und konnte nicht zurückkommen. Eine üble Schlägerei.«
Der Arzt stöhnte. »Verdammt, der Profos wird sich ins Fäustchen lachen.« Er musterte Rosa abfällig. »Und jetzt hat er dich als Ersatz ausgewählt?«
Rosa überlegte blitzschnell. Was hatte der abfällige Blick zu bedeuten? Mochte der Arzt den Profos etwa nicht? Falls das der Mann vom Kai war, dann verstand sie ihn nur zu gut.
»Hast du denn irgendeine Ahnung von Krankenpflege oder Medizin?«
»Aber ja!« Rosa dachte an ihre Mutter und deren Apothekerschrank. Von ihr hatte sie einiges aufgeschnappt.
Er lehnte sich zurück an die Wand und stöhnte: »Mein Schädel!«
»Euer Gesicht sieht auch übel aus, Ihr könntet einen Umschlag mit Terra armena vertragen.« Rosa hoffte, dass ihr Vorschlag Eindruck machen würde.
»Ich ziehe es vor, Terra armena inwendig zu verabreichen, es ist zu teuer für Umschläge, und hier an Bord verwende ich es nur für die Offiziere. Aber lassen wir das, mir ist schwindelig, ich brauche Ruhe.« Er legte sich auf der schmalen Koje hin.
»Ich bin draußen, wenn Ihr mich braucht.« Rosa lief hinüber zu dem Vordach und betrachtete die Hängematte.
»Was hast du hier zu suchen?«, dröhnte eine Stimme hinter ihr.
Ohne sich umzudrehen, erkannte Rosa sofort den Mann vom Kai wieder. Als sie sich ihm dann widerwillig zuwendete, war sein Gesicht rot angelaufen, und er hatte die Fäuste wütend zusammengeballt.
Ich werde mir nichts anmerken lassen, dachte sie, ich werde mich einfach blöd stellen, als wäre
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