Die Hexengraefin
Haupt. »Ich habe mich von diesem Unglücksraben« – er deutete auf Wilhelm – »gleich an den Ort des Duells führen lassen, aber dieses Mal war meine ärztliche Kunst leider vergebens.«
Wilhelm von Kirchhofen war aschfahl im Gesicht, und die Gräfin musste sich setzen.
»Mein Gott, was für eine Tragödie!«
»Ich habe veranlasst, dass Knechte den Getöteten vom Boden hinter den Stallungen aufgehoben und in die Sakristei der Schlosskapelle gebracht haben. Morgen, in aller Frühe, werden die Leichenwäscherinnen Monsieur Ducruet zur feierlichen Beerdigung herrichten, Madame.«
Adelheid von Ruhfeld war von der ruhigen, überlegten Handlungsweise des Medicus beeindruckt.
»Was wird mit meinem Begleiter geschehen?«, fragte sie verzagt und blickte den jüdischen Gelehrten beinahe flehend an.
»Er sollte am besten fliehen. Je eher er Straßburg verlässt, umso besser. Zu einem Duell gehören immer zwei. Beide wissen, dass es möglicherweise mit dem Tod einer der beiden Kontrahenten enden kann. Man kann also nicht von Mord sprechen. Das wird auch Seine Eminenz so sehen. Aber bestrafen würde er den Überlebenden auf alle Fälle, weil diese sogenannten ›Ehrenhändel‹ ja streng verboten sind. Aber ich denke, diese Buße könnte glimpflich ausfallen.«
»Weshalb sollte mein Beschützer dann die Flucht ergreifen?«, fragte Adelheid verständnislos. »Wäre es nicht besser und auch ehrenvoller für ihn, sich der Gnade meines Vetters auszuliefern und im Übrigen mannhaft die Strafe Monseigneurs auf sich zu nehmen?«
»Ehrenvoller zweifellos, Madame. Aber bedenkt, dass die Bestrafung, die Monsieur de Werhahn gegen ihn – weil er seinen Geliebten umgebracht hat – verhängen würde, vom Gefühl der Rache diktiert wäre und nicht vom Gesetz und noch weniger von der Vernunft. Herr von Kirchhofen ist hier in Straßburg seines Lebens nicht mehr sicher. Also: Geht mit GOTT, Monsieur, aber geht – und zwar sofort, wenn ich Euch raten darf.«
So verließ der junge Ritter, der sich vorgenommen hatte, ein Held zu werden, seine geliebte und verehrte Herrin schneller, als er es sich je gedacht hatte.
Und er hatte Glück. Ehe nach dem zweiten Duellanten gefahndet wurde, war er längst über dem Rhein. Zu Adelheids Erstaunen wirbelte die unselige Tat viel weniger Staub auf, als sie befürchtet hatte. Es dauerte eine Weile, bis sie begriff, weshalb.
Monseigneur persönlich war es, der seinem Günstling allen Ernstes verbot, laut zu jammern und eine Untersuchung des »Mordfalles« zu inszenieren.
»Es ist dem Bischof äußerst peinlich, dass sein Sekretär seinen Liebhaber in einem Duell, das seinetwegen stattfand, verloren hat. Seine Eminenz weiß über die Neigungen Immos natürlich Bescheid. Doch er liebt ihn wie einen Sohn und verurteilt ihn deshalb nicht«, hatte Aaron Weinlaub der Gräfin anvertraut.
»Freilich will er dessen – von der Kirche verabscheute – Veranlagung nicht an die große Glocke hängen. Und so hat man den Mantel des Schweigens über die Affäre gebreitet – ein Gerichtsverfahren würde Herrn von Werhahn nur bloßstellen – und damit auch seinen Gönner.«
Eine wahrhaft »elegante« Vorgehensweise, wie Adelheid mit großer Erleichterung empfand. Und niemand stellte ihr neugierige Fragen zum plötzlichen Verschwinden ihres Kavaliers …
»Und ich habe immer geglaubt, mein Verwandter selbst hätte eine Beziehung zu seinem Sekretär«, entfuhr es ihr, aber der alte Jude lachte bloß.
»Ihr habt geglaubt, dass …? Hahaha.«
Dies schien den Medicus sehr zu erheitern.
»Seid versichert, Madame, Seine Eminenz ist nie ein Kind von Traurigkeit gewesen. Aber er hat, seit ich ihn kenne – und das ist bereits seit einundzwanzig Jahren der Fall – stets nur in den Armen weiblicher Personen Entspannung gefunden. Und die Bastarde Monseigneurs, die ich entbunden habe, habe ich zum Schluss gar nicht mehr gezählt.«
Irgendwie stimmte diese Erkenntnis Adelheid froher. Es erleichterte sie ein wenig, dass ihr Verwandter nicht ein von GOTT und der katholischen Kirche Verfluchter war, wie man es sie als Kind gelehrt hatte …
KAPITEL 49
TROTZ SEINER VORBEHALTE gegenüber den Ansichten seines Freundes, eines Höflings des Kurfürsten und Kaiserintimus Maximilian, Baron Heinrich von Garsbach, ließ Herr Ferfried es sich angelegen sein, guten Kontakt zu ihm zu pflegen, denn der Mann hatte immerhin sein Ohr am Puls der Zeit.
Deshalb las er aufmerksam Garsbachs letzten Brief aus München.
»Am 29.
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