Die Hexengraefin
nein. Das ist es nicht, was mir im Kopfe herumgeht. Etwas ganz anderes macht mir Sorgen, Herr.«
Auf Ferfrieds Aufforderung kam der Benediktinerpater zur Sache.
»Nicht einmal die Bedrohung durch den Schwedenkönig kann die Zerrissenheit im Deutschen Reich überwinden. Die Probleme in den einzelnen Regionen nehmen ständig zu. Die fränkische Ritterschaft stellt sich zu Recht gegen ihren Herrn, den Bischof Philipp Adolph von Ehrenberg in Würzburg. Die Herren haben ihn beim Kaiser wegen Verletzung des Religionsfriedens verklagt.
Und obwohl selbst der strenge Ferdinand ihm mehrmals Einhalt bei seinen ›Rekatholisierungsmaßnahmen‹ geboten hat und ihm zu Zurückhaltung in Glaubensfragen riet, hat dieser grausame Bischof neuerdings mit exzessiven Hexenverfolgungen begonnen. Es heißt, er habe bisher innerhalb von vier Jahren über neunhundert Hexen verbrennen lassen, darunter achtzehn kleine Schulknaben, ein blindes Mädchen und ein neunjähriges Mädchen mit seinem noch jüngeren Schwesterchen.«
Dem Pater waren während dieses Berichtes Tränen in die Augen gestiegen, auch Graf Ferfried und sein Sohn Hasso mussten schlucken.
»Natürlich hat der raffgierige Würzburger Bischof das gesamte Vermögen der ›Hexen‹ eingezogen. Allein in der Stadt Würzburg wurden innerhalb der letzten beiden Jahre einhundertsiebenundfünfzig Menschen umgebracht, andere Quellen behaupten sogar, es seien zweihundertneunzehn gewesen. Dieser Bischof Philipp Adolph ist ein wahrer Schandfleck der Menschheit.«
»Ein schöner Diener der Kirche, in der Tat.«
Hasso von Ruhfeld hatte seinen Teller bereits angewidert beiseitegeschoben. »Da ist es bei uns ja bisher noch vergleichsweise glimpflich abgelaufen. Erst neulich habe ich erfahren, dass in der reichsfreien Stadt Offenburg seit 1627 nur sechzig Personen wegen Hexerei hingerichtet worden sind.«
»Im Jahr meiner Geburt, 1579, waren Hexenverfolgungen im geistlichen Fürstentum Fulda nicht minder schlimm«, erinnerte sich Ferfried. »Dein Großvater Heinrich hat mir davon erzählt, als ich fünfzehn war. Auch dort galten diese Säuberungen gleichzeitig den Ketzern, sprich Protestanten. Der Fürstabt von Fulda hatte einen gewissen Balthasar Voß zum Zehntgrafen und Malefizmeister ernannt.
Dieses Scheusal, Balzer Voß genannt, rühmte sich später, er habe über siebenhundert Zauberer beiderlei Geschlechts in ungefähr zwanzig Jahren verbrennen lassen. Und er hoffte, es vor seinem Tod noch zu über eintausend zu bringen. Voß brachte die Folter in der unmenschlichsten Manier zur Anwendung. Viele der Torquierten starben während der Folter. Er verschonte nicht einmal schwangere Frauen. Im Gegenteil, deren Qualen schien er besonders zu genießen. Eine schwangere Frau hatte Voß einst so brutal gequält, dass er danach ihrem Ehemann einhundert Taler Schweigegeld versprach, falls dieser über die bestialische Tortur den Mantel des Schweigens breiten wollte.
Für jede Verurteilung mussten ihm außerdem ansehnliche Summen bezahlt werden. So nahm er innerhalb von drei Jahren beinahe sechstausend Goldgulden ein.
Selbstmord im Gefängnis wurde bei diesem Teufel in Menschengestalt so üblich, dass es sogar seinen Schöffen zu arg wurde: Sie versuchten, sich von den Hexenprozessen zurückzuziehen. Solange sein Herr, der Fürstabt, lebte, hatte er Rückhalt. Das änderte sich erst unter dessen Nachfolger Johann Friedrich von Schwalbach. Dieser ließ den gemeinen Folterer einkerkern. Balzer Voß lebte dreizehn Jahre in Haft, ehe er im Jahr 1613 enthauptet wurde«, endete Ferfried.
»Möge der HERR allen unschuldigen Opfern gnädig sein«, sagte Pater Ambrosius nach einer Weile. Hasso war noch immer sprachlos. Dann aber brach es aus ihm heraus: »Man müsste alle diese Bestien, die sich an unschuldigen Opfern vergehen, selber leiden lassen und ihnen dieselben Scheußlichkeiten zufügen, die sie bei ihren wehrlosen Delinquenten zur Anwendung bringen«, empörte sich Hasso. »Fingernägel ausreißen, Daumen zerquetschen, Gelenke auseinanderdehnen, bis die Gelenkkugeln aus den Pfannen springen, hauen, stechen, brennen …«
Der Benediktinermönch schüttelte energisch den Kopf. »Nein, mein Sohn. So verständlich Eure Rachegelüste sind, denkt doch einmal nach, junger Herr: Dann wäret Ihr genauso ein Teufel, wie jener, dessen Taten Ihr verurteilt.«
Hasso schwieg, aber an seinem trotzigen Gesicht war abzulesen, dass ihn dieses Argument nicht überzeugte. Er hatte bereits einen Plan gefasst,
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