Die Hexengraefin
›ungeliebte Spanierin‹, und wenn sie nicht bald einem Thronfolger das Leben schenkt, wird der König seine Drohung wahr machen und sie zu ihrem Bruder Philipp nach Spanien zurückschicken. Da käme Anna von Habsburg ein weiteres kleines Wunder gerade recht.«
Jetzt konnte die Zofe Anne Larousse sich das Lachen nicht mehr verbeißen. »Vielleicht sollte Ihre Majestät nicht auf ein Wunder hoffen, sondern bloß einmal den Mann tauschen.«
Auch Adelaide amüsierte sich. »Falls der Königin das gelänge, grenzte dies tatsächlich an ein Wunder. Wie ich gehört habe, wird keine Frau in ganz Frankreich von ihrem Ehemann so eifersüchtig bewacht wie Anna von Habsburg. Alle wissen, dass sich kein Liebhaber an die Monarchin heranwagt, jeder fürchtet die schreckliche Rache Ludwigs.
Es heißt, Seine Majestät sei recht erfinderisch, wenn es um grausame Martern geht, welche er seinen Feinden zuzufügen pflegt.«
KAPITEL 63
DIE ÖLTROPFEN DES HEILIGEN THOMAS verloren auch in der Folgezeit nichts von ihrem betörenden Duft – dafür sorgte schon die heil- und kräuterkundige Schwester Leontine.
Wie Adelaide unschwer herausgefunden hatte, hatte die Heilerin des Klosters ein Gemisch aus Rosen-, Lavendel-, Bergamotte-, Thymian- und Nelkenöl mit Extrakten von Wacholderbeeren und Holunderblüten vermengt und dieses wohlgehütete Geheimnis in einem Fläschchen in der Klosterapotheke aufbewahrt …
Je nach Bedarf wurden die Tropfen jeweils auf das seit einiger Zeit »wundertätige« Hemd der Äbtissin geträufelt, um ihre Segen spendende Wirkung aufs Neue zu entfalten.
Zuerst Dutzende, dann Hunderte und in Kürze pilgerten gar Tausende von Frauen ins Kloster Sainte Cathérine, um von allen möglichen Leiden befreit zu werden. Hauptsächlich die gedemütigten Unfruchtbaren waren es, deren Kinderwunsch sich bisher auf keine andere Weise hatte erfüllen lassen.
»Du wirst sehen, Anne, das Hemd wird in der Tat Wunder wirken. Allein der feste Glaube der Weiber an das wundertätige Öl wird genügen, um ihren Schoß für die Entstehung neuen Lebens bereit zu machen. Und das allein ist doch schon Wunder genug«, sagte die Comtesse zu ihrer Dienerin, als sich beide zum wiederholten Male über die Heerscharen von Frauen den Kopf zerbrachen, die so leichtgläubig auf diesen offenbaren Schwindel hereinfielen.
»Sie wollen anscheinend betrogen werden, Madame. Und es kostet ja nicht viel an Überwindung, an den heiligen Thomas zu glauben, der doch selbst ein Zweifler war, bis er seine Hand in die Seitenwunde des HERRN legen durfte, um sich von der Wahrheit der Auferstehung zu überzeugen.«
»Dass sich die Ehrwürdige Mutter gerade diesen skeptischen Apostel für ihren Mummenschanz ausgesucht hat, zeugt von großer Raffinesse. Das augenfällige Wunder, dessen Zeuge der Apostel geworden war und wovon er sich persönlich und sogar handgreiflich überzeugen durfte, wird alle eventuellen Zweifler zum Verstummen bringen. Madame Angélique ist eine äußerst kluge Frau. Mein diesbezügliches Lob hat sie allerdings höchst ungnädig aufgenommen. Erst stellte sie sich, als verstehe sie nicht, wovon ich sprach, dann wurde sie ungehalten, bis ich ihr ins Ohr flüsterte, dass ich sie durchschaut habe. Und dann zählte ich ihr genau die Ingredienzien dieses wundertätigen Öls auf.
Da erblasste die Ehrwürdige Mutter, aber ich beruhigte sie, dass ihr Geheimnis bei mir gut aufgehoben sei«, vertraute Adelaide ihrer Zofe an.
Wie sich in naher Zukunft herausstellen sollte, war die Äbtissin keineswegs beruhigt. Durch die Tatsache, dass außer der Krankenpflegeschwester noch jemand von ihrem brisanten Geheimnis wusste, fühlte sie sich in höchstem Maße verunsichert. Seitdem bemühte sie sich, die Deutsche unauffällig loszuwerden …
Das Fest der »Auferstehung« der Äbtissin Angélique des Anges – wenn schon nicht direkt von den Toten, so doch von jenen, die bereits an der Schwelle zum Jenseits sich befunden hatten – wurde mit großem Zeremoniell gefeiert. Die Wellen, die dieses Ereignis geschlagen hatte, reichten nicht nur bis nach Paris, sondern die Gerüchte über dieses »Ölwunder« des heiligen Thomas’ verbreiteten sich im gesamten katholischen Europa und wurden von den meisten Gläubigen für bare Münze genommen, während die Protestanten es als das ansahen, was es in Wahrheit war: ein grandioser Schwindel.
Die Äbtissin behandelte ihren Gast, die Gräfin, mit noch größerer Liebenswürdigkeit, seit sie wusste, dass Adelaide
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