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Die Hexengraefin

Titel: Die Hexengraefin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Weigand
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aufzählen, was er von ihm wusste – und anschließend hätte der Geistliche die Wahl …
     
     
    Adelheid inspizierte das Schloss von oben bis unten. Ihren scharfen Augen entging nicht die kleinste Veränderung.
    Die verstärkte und erhöhte Schutzmauer war ihr sofort aufgefallen, und der begonnene Neubau der beim Erdbeben eingefallenen Kapelle fand ihr spezielles Interesse. Auch der Gesindeküche stattete sie einen Besuch ab – genauso, wie sie es früher getan hatte, um sich nach den Sorgen und Nöten der Dienstleute zu erkundigen.
    Als Erstes fiel ihr das Bärbeli auf, eine Magd, die einst als ganz junges Mädchen ebenfalls von Andreas Sütterlin geschändet worden war. Sie war unter Frau Salome zur Ersten Köchin aufgestiegen, wurde »Frau Barbara« genannt und fühlte sich offenbar in ihrer herausgehobenen Position sehr wohl.
    Beflissen erkundigte sich die Frau, ob alles nach dem Geschmack der Herrschaften aus Frankreich gewesen wäre; Adelheid lobte sie, und das Bärbeli küsste der schönen Dame erfreut die Hand.
    »Ei, wen haben wir denn da?«, fragte die Comtesse plötzlich, als ihr Blick auf eine der Küchenmägde fiel, die auf einem Hocker vor dem Spülstein saß und in fließendem Wasser Gelbe Rüben schälte.
    Es war in der Tat die jetzt uralte Agnes Mürfelder, die zweite der »Hexen«, die seinerzeit bei Helenes Befreiung überlebt hatte.
    »Ja, unsere gute Nessi«, sagte Frau Barbara und strich der Alten liebevoll über das dünn gewordene, schlohweiße Haar. »Gehen und stehen kann sie nimmer recht, aber im Sitzen taugt sie noch allemal zum Helfen in der Küche, nicht wahr, Nessi?«
    Das alte Weiblein nickte eifrig, lächelte die Gräfin an mit zahnlosem Mund und nahm dann geschickt die Arbeit des Gemüseputzens wieder auf.
    ›Nie werden wir die Vergangenheit loswerden – sie ist und bleibt ein Teil von uns‹, dachte Adelheid, aber der Gedanke hatte in diesem Falle nichts Erschreckendes – ganz im Gegenteil.

KAPITEL 99
    DIE SCHAR DER GÄSTE WAR vor Kurzem abgereist, und die Familie saß zum ersten Mal seit Adelheids Ankunft alleine am Tisch im sogenannten »Kleinen Speisesaal«. Dieser Raum war gemütlicher, weil intimer. Die »Große Halle« wurde inzwischen gereinigt und hergerichtet für das nächste, größere Familienfest.
    Adelheid amüsierte sich im Stillen über das »savoir vivre«, die »feine, französische Lebensart«, die mittlerweile auch auf dem immer etwas hinterwäldlerischen Ruhfeld ihren Einzug gehalten hatte. Den Anstoß dazu hatte sicher die arme, bei der Geburt ihres Söhnchens verstorbene Gisela von Württemberg gegeben, vermutete die Comtesse.
    Es war wiederum ein Brief von Heinrich von Garsbach, des Höflings vom kurfürstlichen Hof zu München, eingetroffen. Nach der schlichten Mahlzeit – nach dem üppigen Tafeln der vergangenen Tage und Wochen musste dringend eine Pause eingelegt werden – verlas Graf Ferfried das Schreiben seines alten Freundes.
    Zuerst ließ sich von Garsbach mit Wohlgefallen darüber aus, dass Wallenstein die Schweden aus Bayern vertrieben und sich nach der Schlacht bei Lützen nach Böhmen zurückgezogen hatte. So weit, so gut. Aber der Generalissimus wartete dort offenbar nicht darauf, dass ihn sein Herr, der Kaiser, aufs Neue berief, sondern glaubte, selbst Politik machen zu müssen.
    »Er versuchte, durch Friedensgespräche mit den Sachsen und Schweden die Basis eines allgemeinen Reichsfriedens zu schaffen«, schrieb der Herr aus München, worauf Ferfrieds Zuhörerschaft erleichtert aufatmete.
    »GOTT geb’s, dass ihm endlich gelingt, was andere seit Jahrzehnten nicht geschafft haben«, rief Hasso mit Inbrunst aus, aber sein Vater winkte ab und las weiter.
    »Die eigenmächtigen Machenschaften des stolzen Böhmen erregten den Unwillen der übrigen Reichsfürsten und endlich auch Seiner Kaiserlichen Majestät und führten letztlich dazu, dass Kaiser Ferdinand seinen Heerführer erneut absetzte und ihn wegen angeblicher Verschwörungspläne gegen die kaiserliche Majestät des Hochverrates bezichtigte. Seitdem sind viele Offiziere und Truppen, ihrem geleisteten Eid zum Trotz, von Albrecht von Wallenstein abgefallen. Man macht dem stolzen Böhmen erneut seine Sternengläubigkeit zum Vorwurf und bezichtigt ihn des finstersten Aberglaubens und des Bundes mit satanischen Mächten.«
    Das waren bei GOTT ganz schlechte Nachrichten.
    Graf Ferfried und die Seinen glaubten keinen Augenblick daran, dass Wallenstein sich gegen die Majestät des

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