Die Hexengraefin
um Himmels willen, Pater!«
Ganz weiß war der Graf geworden und die anfängliche Lust zu friedlichem Schlummer war ihm gründlich vergangen. Was hatte er da bloß, wenn auch ungewollt, angerichtet? Wenn er an Adelheid dachte, die mit zärtlicher Liebe an dem Mädchen hing, wurde ihm schlecht, und Hasso, der offenbar in die Tochter des Schultheißen verliebt war, könnte er überhaupt nicht mehr in die Augen schauen.
»Ich flehe Euch an, Pater, lasst Euch etwas einfallen, wie wir uns aus dieser misslichen Lage befreien können. Es muss einen Weg geben, wieder zurückzurudern. Der Helene Hagenbusch darf kein Haar gekrümmt werden: Ich habe die Kleine doch auch gern. Sie ist die beste Freundin meiner Adelheid.«
»Ha, von wegen ›kein Haar gekrümmt‹ werden – wissen wir denn, ob man der Kleinen nicht bereits die Arme ausgerenkt und die Beine gebrochen hat? Wenn der Scheible, dieser Unmensch, sie in den Fingern hat, ist sie sowieso verloren. Drei Jahre lang durfte der jetzt bloß ›normale‹ Übeltäter drangsalieren. Aber kriegt er wieder die Gelegenheit, sich an einer schönen Jungfrau zu vergreifen, bedeutet das gleichsam das Paradies auf Erden für dieses Scheusal, Herr.«
Stundenlang hatten die beiden Männer darüber debattiert, wie man es anstellen konnte, die Hagenbusch-Tochter unbeschadet aus den Klauen der Justiz zu befreien. Die Kerze war längst heruntergebrannt, als der Benediktiner sagte: »Das Schlimmste ist, Herr, dass wir uns nicht anmerken lassen dürfen, dass wir nichts von dem ganzen Hexenunfug halten. Sonst geht’s uns selbst noch an den Kragen. Papst und Kirche verteidigen die Verfolgung sogenannter Hexen und zauberischer Weiber, und wer behauptet, es gebe sie nicht, der ist ein Ketzer. Und solchen geht’s bekanntlich schlecht. Das steht in der ›Hexenbulle‹ von Papst Innozenz, und die gilt seit fast zweihundert Jahren. Mich würde man wohl verbrennen und Ihr würdet mit Sicherheit der Reichsacht verfallen und alle Eure Güter verlieren.
Der Kaiser kennt da keinen Spaß – genauso wenig wie sein treuester Anhänger, Kurfürst Maximilian von Bayern, in dessen Bereich wir uns zu begeben nun anschicken. Er ist einer der grausamsten und eifrigsten Hexen- und Ketzerverfolger. In seinem Land herrscht, wie ich gehört habe, überhaupt eine rigorose Überwachung der Sitten«, fuhr der Mönch nach einer Weile fort. »Das zeigt sich schon daran, dass er das Tanzen an Werktagen ausdrücklich und bei strengster Strafe verboten hat. Jeder, der ohne Rosenkranz in der Tasche angetroffen wird, der darf sich auf was gefasst machen. Und wer nach den Ostertagen der Obrigkeit keinen Beichtzettel vorweist, kann was erleben; genauso wie der, welcher beim Gebetläuten nicht sofort auf die Knie fällt. Und wäre es auch im dicksten Schlamm: Runter vom Wagen und absteigen vom Ross. Vergehen gegen Sitte und Religion werden ganz unbarmherzig bestraft.«
»Das mit den Beichtzetteln ist in vielen Ländern Vorschrift«, wollte Graf Ferfried die Aussagen seines geistlichen Beistands über den bayerischen Landesherrn ein wenig entschärfen, aber der Pater setzte sogleich nach: »Mag schon sein, Herr. Doch kennt Ihr einen zweiten Fürsten, der einem Kerl, den man beim Fluchen ertappt hat, die Zunge aus seinem gotteslästerlichen Maul reißen und diese anschließend verbrennen lässt?«
Da musste Ferfried von Ruhfeld doch schlucken. Da ging es in seinem »Ländle« ja noch vergleichsweise milde her. Hätte man sich bei uns das Zungenausreißen wegen Fluchens zu Eigen gemacht, gäb’s bloß noch leere Mäuler, dachte er erschrocken.
Aber jetzt kam es darauf an, was man tun konnte, um im ganz konkreten Fall eine Unschuldige vor brutaler Folter und Mord zu bewahren.
KAPITEL 11
BERTOLD MUNZINGER HATTE ES NICHT VERSÄUMT, Helene gegenüber gebührend hervorzuheben, wie sehr man sie dadurch bevorzugte, dass er, der Oberste Richter, persönlich sich der Mühe unterzog, sie in ihrem elenden Kerker aufzusuchen.
Das stimmte sogar. Normalerweise ließ man die Ärmsten erst einmal schmoren, ohne ihnen den Grund für ihre meist völlig überraschende Gefangennahme mitzuteilen. In der Regel hatten sie nur Kontakt zu dem brutalen Wachpersonal, das es weidlich ausnützte, die Angeklagten auf alle nur möglichen Arten zu schikanieren und zu quälen.
Ratsherren und Richter vermieden es im Allgemeinen tunlichst, eine Gefängniszelle zu betreten. Gar zu unangenehm war ihren empfindlichen Nasen der dort herrschende Gestank,
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