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Die Hexengraefin

Titel: Die Hexengraefin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Weigand
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Bibelstellen »Das Weib ist bitterer als der Tod« und »Die Zauberinnen sollst du nicht am Leben lassen« aus dem zweiten Buch Mose des Alten Testaments.
    Der Hexenhammer war das maßgebliche Gesetzbuch für die Gerichtspraxis; und weil sich der Hexenwahn mittlerweile zu regelrechter Besessenheit gesteigert hatte, führte dies zu einer ungeahnten Denunziations- und Verfolgungswelle fast überall in Europa.
    In der Folgezeit übernahmen auch die weltlichen Gerichte bei Zaubereiprozessen das Inquisitionsverfahren durch die Peinliche Halsgerichtsordnung Constitutio Criminalis von Kaiser Karl V., daher auch Carolina genannt.
    Wie ein strebsamer Schüler vermochte Bertold Munzinger (gleich allen anderen Richtern) den Artikel 109 aus der Peinlichen Gerichtsordnung von 1532, der sich mit der Zauberei befasste, frei aus dem Gedächtnis herzubeten:
    »Strafe der Zauberey. So jemand den Leuten durch Zauberey Schaden oder Nachtheil zufügt, soll man ihn strafen vom Leben zum Tode und man soll solche Strafe mit dem Feuer tun.«
    Na, bitte: Da stand es doch schwarz auf weiß. »Aufgeklärteren« Zeitgenossen mit Hang zum Protestantismus nahm man neuerdings damit den Wind aus den Segeln, dass der Glaube an Zauberei und Hexerei nicht nur eine Prämisse der katholischen Kirche wäre, sondern dass sich auch die Reformation ihrer bediente.
    So hatte sogar Martin Luther von der Kanzel herab gefordert, man solle Hexen, die so viel Schaden anrichteten, töten, denn sie könnten Milch, Butter und vieles andere mehr stehlen, indem sie einfach anfingen, an einem Tischbein, einem Axtstiel oder einem Handtuch zu melken.
    Ferner würden diese Weiber den Menschen durch Zaubertränke zur Liebe oder zum Hass anstacheln, Gewitter heraufbeschwören und mit Zauberpfeilen dafür sorgen, dass jemand hinken müsse. Des Weiteren hatte der Mönch aus Wittenberg behauptet, Hexen sollten schon deswegen getötet werden, weil sie fleischlichen Umgang mit dem Teufel hätten und auf Besen und Ziegenböcken durch die Luft ritten.
    Jeder Richter, der bei einem weltlichen Gericht mit Hexenprozessen zu tun hatte, wusste sich also wohl abgesichert in seiner Tätigkeit und keinem kam auch nur im Entferntesten der Gedanke, ein Unrecht an den bedauernswerten Frauen zu begehen.
    So konnte auch Bertold Munzinger davon ausgehen, dass diese Gefangene, die völlig eingeschüchtert vor ihm auf dem Boden kauerte, über kurz oder lang auf dem Scheiterhaufen enden würde – das notwendige Geständnis würde man schon durch exquisite Foltermethoden aus ihr herauspressen.
    Anfangs waren alle Hexen verstockt und leugneten, aber ein geschickter »Torquierer«, wie etwa Martin Scheible, würde mit Sicherheit die Wahrheit aus Helene Hagenbusch herausbringen.
    Dem Obersten Richter war nicht entgangen, dass die Kleidung der Gefangenen, vor allem über dem Busen, zerfetzt war. Nun ja, die Kleine hatte sich wahrscheinlich unziemlich gegen ihre Fesselung gewehrt und war etwas unsanft von den Helfern des Henkers behandelt worden.
    Was soll’s?, dachte Munzinger, sie wird eh sehr bald statt ihrer eigenen Gewandung das Folterhemd zum Anziehen kriegen – ihre eigenen Sachen wird sie dann nicht mehr brauchen.
    Ehe der hohe Herr ging, brachte er es doch tatsächlich übers Herz, ohne sich der bösartigen Ironie bewusst zu werden, dem Mädchen eine »gute Nacht« zu wünschen und ihr inniges Beten anzuempfehlen. Vor dem endgültigen Verlassen der stinkenden, feuchten und menschenunwürdigen Höhle ließ er noch beiläufig fallen, dass man sich als besondere »Vergünstigung« seitens des Gerichtes ihres Falles – ungeachtet der zahlreichen anderen – in allernächster Zeit bereits annehmen werde.
    »Natürlich«, murmelte das Mädchen, »man will die Sache so schnell wie möglich vom Tisch haben, bevor der Herr Graf wieder daheim ist.«
    An Hasso erlaubte sich die Ärmste überhaupt nicht zu denken: Beim leisesten Gedanken an ihren heimlichen Geliebten und an das Leid, welches er auszustehen hätte, wenn er von ihrem Tod erführe, hätte sie sich am liebsten mit der Eisenkette, die sie an die Wand ihres Kerkers fesselte, erwürgt.
    Wenn er heimkommt, bin ich längst zu Asche verbrannt und in alle Winde verstreut, dachte sie und musste bitterlich weinen. Denn durch den Besuch des Obersten Richters war ihr klar geworden, wie aussichtslos ihre Hoffnungen auf Rettung waren: Durch die verlogenen Behauptungen dieser fragwürdigen Zeugen war sie verloren.
    Weder ihrem Vater noch ihrem Bruder

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