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Die Hexengraefin

Titel: Die Hexengraefin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Weigand
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Auch die Scherze, welche sie dem jungen Mann über den Tisch hinweg zurief, waren mehr als gewagt.
    Hasso von Ruhfeld wurde verlegen. So offen hatte ihm noch nie eine Edelfrau ihr Interesse bekundet. Bisher hatte er in seiner Naivität geglaubt, nur feile Dirnen aus der unteren Schicht des Volkes ließen sich dazu herab, einem Mann so aggressiv ihr Verlangen zu zeigen.
    Die Gäste amüsierten sich königlich darüber, und so beschloss der junge, noch ziemlich unerfahrene Mann, das Spiel mitzumachen und warf der attraktiven Dame seinerseits mehrere – wie er dachte – glutvolle Blicke zu. Doch insgeheim nahm er sich vor, gleich nach dem Bankett mit einer Ausrede das Haus seines Gastgebers zu verlassen.
    Nach dem Essen sollte ein Tanzvergnügen stattfinden; daran wollte Hasso nicht mehr teilnehmen. Er äußerte sich noch vor dem Dessert dementsprechend mit geheuchelt-enttäuschter Miene, indem er vorgab, noch andernorts eine Verabredung zu haben. Die Schwägerin der Gastgeberin ließ prompt ein »oh, wie schade, liebster Graf« hören.
    Aber gleich darauf fiel ihm auf, dass die temperamentvolle Dame, die um viele Jahre jünger als ihr gesetzter, etwas hölzerner Gatte war, sich einem anderen jungen Herrn zuwandte.
    Sie bombardierte nun diesen mit einladenden Blicken und kühnen Schmeicheleien – Hasso von Ruhfeld war vergessen.
    Einesteils war er erleichtert, so leicht aus der Schlinge geschlüpft zu sein, andererseits war er auch ein bisschen beleidigt; dazu mischte sich Betroffenheit über das »schamlose« Verhalten der Ehefrau eines seiner und seines Vaters Geschäftspartner, den allerdings gar nicht zu interessieren schien, mit wem seine Gemahlin so offenkundig tändelte.
    Der jetzt von ihr favorisierte junge Mann ging umgehend auf das werbende Spiel ein und erlaubte sich einiges an Freiheiten, wofür ihn Hasso zum Duell gefordert hätte, wenn dieser Mann sich so seiner Liebsten, der schönen Helene Hagenbusch gegenüber, aufgeführt hätte.
    Und damit waren seine Gedanken wieder bei Helene, die im Kerker schmachtete, während er die Gastfreundschaft eines der reichsten Männer des deutschen Reichs genoss. Sobald es die Schicklichkeit gestattete, verließ Hasso von Ruhfeld das prunkvolle Haus der Fugger in Augsburg.
    Was ihn jetzt quälte, war die schwere Entscheidung, die er zu treffen hatte: Sollte er seinem Vater gehorchen und die Richtung nach Regensburg einschlagen, um sich mit Herrn Ferfried und anderen Großen des Landes zu treffen, um zu beraten, was bezüglich des vom Kaiser entlassenen Feldherrn Albrecht von Wallenstein zu geschehen habe?
    Es war eine gewaltige Ehre für einen so jungen Mann wie ihn, im Rat dieser Edlen eine Stimme zu haben – außerdem würde ihn sein Vater gebührend herausstreichen, obwohl Hasso sich nicht recht im Klaren darüber war, womit er das verdient hatte.
    Noch hatte er sich nämlich keineswegs im Krieg hervorgetan – was man ihm jedoch billigerweise nicht anlasten durfte, weil er noch keine Gelegenheit dazu gehabt hatte.
    Aber jedermann rechnete damit, dass sich dieser elende Krieg nun auf den Süden Deutschlands ausdehnen würde. Und die Mehrzahl der Badener, jedenfalls die Ortenauer und die Ruhfelder, würden auf Seiten des Kaisers, der katholischen Liga und Maximilians von Bayern stehen.
    Hasso war – genau wie sein friedliebender Vater – kein besonders dem Waffenhandwerk zugetaner Mensch. Beide zogen es vor, einen Konflikt ohne Blutvergießen, »mit Hirnschmalz«, zu lösen, aber ein Feigling war keiner der beiden. Sie würden in diesen verdammten Krieg ziehen und dabei hoffen, dass sie und ihre Untertanen ihn einigermaßen heil überstünden. Obwohl das kaum möglich schien, denn Gustav Adolf galt als äußerst fähiger Feldherr. Vielleicht wäre es doch das Beste, den schlauen Friedländer, diesen arroganten Wallenstein, noch einmal zum Generalissimus zu ernennen, damit er für sie die Kastanien aus dem Feuer holte.
    Andererseits: Wer kümmerte sich um seine geliebte Helene? Ihr Vater, obwohl ein vermögender Mann und Schultheiß einer kleinen Gemeinde, war dazu nicht in der Lage. Ihm fehlten Erfahrung und Durchsetzungskraft und letztlich auch die Machtmittel, mit Amtspersonen und Geistlichen nach Belieben umzuspringen.
    Wenn Hasso ehrlich war, besaß er die nötige Erfahrung ebenfalls nicht. Doch er hatte bereits durch seine Geburt die Möglichkeit, mit diesen Leuten auf Augenhöhe zu verhandeln. Noch besser gelänge das allerdings seinem Vater. Der könnte

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