Die Hexengraefin
diesem Zweck ließ der Scheible vorher immer seine Folterkammer mit Weihwasser besprengen, damit der Teufel seinem Schützling nicht beistehen konnte. Dann würde die Hexe vollkommen entkleidet werden – bei dieser ausnehmend hübschen und gut gewachsenen gewiss ein Augenschmaus (er war beinahe geneigt, den Henker heftig zu beneiden) – und sie würde in entblößtem Zustande – um sie zu demütigen – die sogenannte Hexensuppe zu sich nehmen müssen.
Soviel der Oberste Richter wusste, handelte es sich dabei um ein besonders ekliges Gebräu aus Bier, Salz, Hechtgalle, gestoßenem Kümmel, geriebenem Brot und den gemahlenen Knochen verbrannter Hexen.
Danach versuchte der Henker die Frau einzuschüchtern, indem er ihr mit der Anwendung der ihr bereits vom Ansehen bekannten Folterwerkzeuge drohte. Der Sinn des Ganzen war, sie zur »Urgicht« zu bringen, worunter man das Eingeständnis verstand, alle ihr vorgeworfenen Untaten begangen zu haben.
Munzinger ließ seinen Schreiber rufen, um diesen zu beauftragen, innerhalb der nächsten Stunde alle Gerichtspersonen zu versammeln. Den Scheible würde er allerdings selbst benachrichtigen.
KAPITEL 20
BISCHOF LEOPOLD NAHM DAS SCHREIBEN, das ihm ein geheimer Bote vor einer Viertelstunde überbracht hatte, mit beträchtlichem Unbehagen wieder zur Hand.
Nein, was ihm da sein Nachbar und Verwandter vom rechtsrheinischen Ufer – eigentlich war der nur mit einer inzwischen verstorbenen, weitschichtig verwandten Base des Bischofs verheiratet gewesen – ans Herz legte, gefiel dem übervorsichtigen Kirchenfürsten überhaupt nicht.
»Wie stellt sich mein Verwandter, Graf Ferfried von Ruhfeld, das denn eigentlich vor?«, fragte er seinen Vertrauten, den noch jungen, heute weibischer denn je wirkenden Kaplan, Immo von Werhahn.
»Sendet mein Vetter mir einfach aus dem fernen Regensburg, wo sich die hohen Herren gerade treffen, um das künftige Vorgehen gegen den Wallenstein zu beraten, eine Nachricht des Inhalts – Augenblick, ich lese Euch vor – ›ich solle doch im Falle, dass seine Tochter Adelheid mit einer aus dem Kerker befreiten jungen Frau zu mir käme, denselben gütigst Obdach gewähren und besagte zu Unrecht Verfolgte unter meinen Schutz nehmen. ‹ Was haltet Ihr davon, mon Cher ?«
»Ein starkes Stück, Euer Eminenz. Wer ist denn diese Dame, die sich unter Eure Fittiche zu begeben wünscht?« Der junge Geistliche wischte sich die Hände mit den sorgfältig manikürten Fingernägeln an seinem Mundtuch ab, denn er hatte gerade Konfekt genascht.
»Wenn ich richtig verstehe, ist das überhaupt keine Dame, sondern bloß die Tochter eines Schultheißen einer kleinen Gemeinde in der Ortenau.«
»Pah, eine Bürgerliche. Und so viel Aufwand für sie? Ich möchte Eurer Eminenz dringend davon abraten. Wenn das Frauenzimmer im Gefängnis sitzt, hat es bestimmt etwas ausgefressen. Was wirft man ihm denn vor, Herr?«, fragte der Kaplan.
»Hexerei.«
Immo von Werhahn erlitt daraufhin einen Hustenanfall. Endlich kam er wieder zu Atem. Rot vor Empörung wandte er sich an seinen Herrn. »Dies ist die größte Unverschämtheit, die mir je in meinem Leben untergekommen ist, Monseigneur.
Derartige Prozesse gibt es schon seit dem 13. Jahrhundert. Freilich wurden diese nicht vor einem weltlichen, sondern bis zum Beginn des 16. Jahrhunderts vor einem Kirchengericht geführt. Doch die weltlichen Gerichte wollten diese, nicht als Sünde, sondern als Verbrechen angesehenen Hexentaten als reguläre Strafverfahren behandeln. Und die Kirche hat seinerzeit ihrer Bitte aus Güte nachgegeben. Sollen also die Ortenauer ihre Hexenweiber gefälligst bei sich behalten – was haben wir mit ihnen zu schaffen?«, fragte er aufgebracht. »Bei uns gibt es von dieser Sorte ebenfalls genug, ohne dass wir noch welche über den Rhein zu uns schaffen müssten.«
»Mag sein, mein teurer Immo, aber bedenkt, dass es mein Vetter ist, der mich um diesen Gefallen bittet. Irgendeine Bewandtnis muss es mit dieser Jungfer haben, dass er sich so für sie einsetzt. Ach ja, hier schreibt er, das Mädchen sei eine Herzensfreundin seiner über alles geliebten Tochter Adelheid, unter deren Schutz und Schirm es zu uns käme.«
»Ist diese Adelheid etwa auch eine Hexe?«, fragte der junge Geistliche trocken, und der Bischof musste herzlich lachen.
»Davon schreibt mein Verwandter nichts. Aber wenn Ihr mich fragt, Teuerster, sind alle Weiber Hexen. Oder nicht?«
»Darin stimme ich Euch aus ganzem Herzen zu, edler
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