Die Hexengraefin
Herr: Alles Übel stammt vom Weibe. Das ist seit unserer Stammmutter Eva so und wird auch so bleiben. An Eurer Stelle würde ich erst einmal abwarten, ob die Ruhfelder es überhaupt schaffen, ihre Satansbraut aus dem Kerker zu befreien. Ich habe jedenfalls noch nie davon gehört, dass es jemandem gelungen wäre, Monseigneur. Ihr etwa?«
»Nein, mon Cher. Ihr habt recht. Ich werde also vorläufig gar nichts unternehmen. Wollen wir uns nun zu Tisch begeben, Teuerster?«
Bereits am nächsten Tag war Adelheid von Ruhfeld mit dem Leibarzt des Grafen, dem sechzigjährigen Doktor Wendelin Ohngleich, sowie der bereits über siebzig Jahre zählenden Hebamme Elisabeth Liebig im Hänsele-Turm erschienen.
War es ihre ansehnliche Begleitung, die dieses Mal immerhin fünfzehn Bewaffnete umfasste, oder war es die gute Laune des Obersten Richters, die es ermöglichte, dass das edle Fräulein ohne Schwierigkeiten zu der Gefangenen Helene Hagenbusch vordringen konnte?
Ewald, der schielende Aufseher des Gefängnisses, und seine Frau Theresia kamen eilfertig angelaufen, um die Besucher zu der Inhaftierten zu führen.
Ein paar ihrer Männer nahm Adelheid mit. Sie sollten zum Schutz vor unliebsamen Lauschern vor der Tür der Zelle Wache stehen – die anderen verteilte sie an strategischen Punkten im Hof des Schlosses.
Adelheid war entsetzt. Der Arzt und die Hebamme waren es weniger; denn sie sahen nicht zum ersten Male Frauen, die mit dem Henker Martin Scheible zu tun gehabt hatten. Und Helene war noch nicht einmal mit den üblichen Marterinstrumenten in Berührung gekommen.
Es dauerte lange, bis das unglückliche Mädchen den Mund aufmachte und der Freundin, der verständnisvollen Hebamme und dem Arzt ihres Vaters das Entsetzliche anvertraute.
»Der Henker hat mich ausgezogen, mir die Hexensuppe, eine äußerst widerliche Flüssigkeit, zu trinken befohlen, und dann hat er angefangen, mir die Haupt- und Körperhaare zu entfernen«, sagte Helene leise. »Und nicht nur die an Armen und Beinen, sondern auch jene unter den Achseln und an der Scham.«
Adelheid empörte sich, aber Helene sprach weiter: »Der Scheible ist dabei nicht sehr zart mit mir umgegangen. Er hat behauptet, das sei Vorschrift, weil er mich am ganzen Körper zu untersuchen habe, ob ich nicht etwa irgendwo in einer Körperhöhle oder -öffnung ein zauberisches Amulett von meinem Buhlen, dem Satan, verborgen halte.
Um die Untersuchung genau durchführen zu können, haben sie mich nackt mit gespreizten Beinen auf die Streckbank gebunden. Ich war den geilen Blicken und den rohen und schmutzigen Händen des Henkers und seiner Gehilfen ausgeliefert, die jeden Zentimeter meines Körpers in Augenschein genommen haben, auch und ganz besonders an der Stelle, die eine züchtige Jungfrau nicht einmal benennen darf.« Ihr versagte die Stimme, und sie brach in Tränen aus.
Adelheid weinte auch, aber aus Wut und ohnmächtigem Zorn.
Langsam gewann das Helen seine Fassung wieder: »Das alles war rechtens und geschah im Namen des Gesetzes. Das hat mir nachher Herr Munzinger vor Gericht bestätigt.«
Erneut verfiel die Ärmste in einen Weinkrampf, als sie das Folgende schilderte: »Ist es auch rechtens gewesen, dass mich der Scheible, dieser Teufel in Menschengestalt, geschändet hat?«, hatte Helene ihre Richter verzweifelt gefragt.
»Schreit nicht so im Gerichtssaal herum! Das steht Euch nicht zu. Andernfalls lasse ich Euch auspeitschen, damit Ihr endlich lernt, wie Ihr Euch hier zu betragen habt«, hatte Munzinger zurückgebrüllt und mit der Faust auf den Tisch geschlagen, sodass eine brennende Kerze umgefallen war und beinahe einen Brand verursacht hätte.
»Das ist alles Eure Schuld«, hatte der Oberste Richter giftig zu der Angeklagten gesagt, weil ein paar Papiere angekohlt waren.
»Was soll übrigens die unverschämte Lüge mit der angeblichen Schändung, die Ihr dem Scharfrichter anhängen wollt? Ist es nicht vielmehr so, dass Ihr Eure Jungfernschaft längst dem Teufel geschenkt habt? Damals, als Ihr Euch auf dem Berg Kandel ihm hingegeben habt? Und jetzt wollt Ihr den wackeren Scheible beschuldigen, Euch missbraucht zu haben?«
»Lasst doch eine Hebamme kommen, wenn Ihr mir nicht glauben wollt, Herr Richter. Es ist gerade vorhin passiert – und nicht nur einmal. Zwei seiner Knechte sind anschließend ebenfalls über mich hergefallen. Was ja nicht schwer war bei einem schwachen Weib, das noch dazu gebunden auf der Bank gelegen hat. Ich blute jetzt noch
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