Die Hexengraefin
mit.«
»Wie sollte es bei einer aus dem Schwabenland auch anders sein, Hasso?«, fragte ein wenig spöttisch seine Schwester und verzog leicht den Mund, »da kann sie alt sein, wie sie will.«
»Das soll uns einerlei sein – wichtig ist nur, dass wir ohne Aufsehen in die Schlossanlage gelangen. Am Tag der Hochzeit wird dort ein Gedränge von Adeligen, Dienern, Pferden, Kutschen, Pfaffen, Knechten und allerlei Gauklervolk sein, nebst den bäuerlichen Gratulanten aus dem gesamten Umland, die alle ihrer Lehnsherrschaft Geschenke als Huldigung darbringen. Bessere Bedingungen könnten wir für unseren Fluchtplan überhaupt nicht finden. In drei Tagen ist es so weit.«
»In drei Tagen erst? Oh, Gott, da ist es vielleicht schon zu spät für Helene. Womöglich haben die brutalen Kerle sie dann bereits zu Tode gefoltert.«
»Nein, das glaube ich nicht«, erwiderte Hasso ernsthaft.
»Wie kannst du dir so sicher sein?«
Adelheids Bruder grinste. »Weil es ein ungeschriebenes Gesetz in der Ortenau gibt, welches da lautet: ›Vor großen, kirchlichen Feiertagen, wie etwa Weihnachten, Ostern und Pfingsten, dürfen während der letzten drei Tage vorher die Gefangenen weder torquiert noch hingerichtet werden.‹«
»Aha. Sehr schön. Und was hilft das meinem lieben Helen? Soweit mir bekannt ist, steht weder Ostern noch Pfingsten vor der Tür, und bis Weihnachten ist erst recht noch lange hin. Was soll das also, Hasso?«
Übermütig packte der erneut seine Schwester, schwenkte sie in der Halle herum und rief: »Dasselbe gilt für Hochzeiten und Taufen des Adels, meine Liebe.«
Das erste Mal seit zwei Wochen wagte Adelheid von Ruhfeld zaghaft daran zu glauben, dass ihre Freundin vielleicht doch befreit werden konnte.
»Ich werde sofort die wichtigsten Dinge von Ursula zusammenpacken lassen, damit wir, wenn es so weit ist, die Flucht über den Rhein antreten können. Der Bischof von Straßburg wird Augen machen.«
»Das denke ich auch«, pflichtete Hasso ihr bei. »Merkwürdig, dass Seine Eminenz auf Vaters Schreiben noch nicht reagiert hat. Immerhin ist Ferfried ein Vetter von ihm.«
»Allerdings ein sehr entfernter. Wahrscheinlich glaubt er nicht daran, dass einer der Hexerei angeklagten Frau die Flucht gelingen könnte«, entgegnete Adelheid. »Er kennt eben unsere Hartnäckigkeit nicht.«
»Na, dann wird unser um drei Ecken verwandter Vetter ja vor Freude jubeln, wenn ihr beide bei ihm vorsprecht und um Asyl bittet. Inzwischen dürfte sich der Herr Bischof wohl vom ärgsten Schrecken erholt haben, dass seine unverschämte Verwandtschaft die Stirn hat, aus seinem Gerichtsbezirk eine angebliche Hexe zu entführen«, sagte Hasso und grinste.
»Und ich werde dem heiligen Mann deutlich sagen, wie unverschämt wir es empfinden, dass man es gewagt hat, jemanden zu behelligen, für dessen Lauterkeit und Gottesfurcht wir uns verbürgt haben«, rief Adelheid kriegerisch.
»Na, ich wünsche dir jedenfalls viel Glück dabei«, sagte der junge Graf, der plötzlich nachdenklich wurde. Es begann ihm nämlich zu dämmern, dass die Schwierigkeiten nach der Entführung Helenes aus dem Turm womöglich erst richtig anfingen …
KAPITEL 31
»MEINE ALTEN KNOCHEN machen das bald nicht mehr mit«, stöhnte der Graf von Ruhfeld. »Es kann mir einer sagen, was er will, mit über fünfzig gehört ein Mann zum alten Eisen.«
»Ach was, mein Lieber«, versuchte ihn der Graf von Hohlfeld aufzumuntern, »mit fünfzig ist ein Mann doch erst ein richtiger Kerl.«
»Ja«, erwiderte Ferfried lakonisch, »aber ein recht alter. Ich spüre jedenfalls von dem bisschen Reiten jeden Knochen im Leib. Früher habe ich wochenlang im Sattel gesessen, und es hat mir nichts ausgemacht. Aber nun zwickt und zwackt es überall.
Ich versichere Euch, Ihr Herren, wenn ich heute von meinem Gaul absteigen kann, bin ich der glücklichste Mensch auf Erden. Ich wünsche mir bloß ein heißes Bad gegen mein verflixtes Gliederreißen, Freunde.«
»Haha. Und dazu eine dralle Bademagd, die Euch die Steifheit aus den Gliedern vertreibt, nicht wahr?«, frotzelte ein anderer aus der Schar der adeligen Herren, die sich auf dem Heimweg vom Fürstentag zu Regensburg befanden.
Bald würden sie es geschafft haben, und jeder der vornehmen Ritter, Freiherren und Grafen wäre wieder in seinem Heim, im eigenen bequemen Bett und die meisten bei ihren Ehefrauen; die Unverheirateten würden die in Regensburg vom bigotten, bayerischen Kurfürsten erzwungene Enthaltsamkeit mit einer
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