Die Hexenjagd von Salem Falls
Zeugin informiert und weiß sie, was sie aussagen wird?«
»Überhaupt nicht«, sagte Matt gereizt. »Die Verteidigung hat ihre Beweisführung beendet. Ich habe schließlich auch nicht irgendwelche Überraschungszeugen antanzen lassen, nachdem ich meine Beweisführung abgeschlossen hatte.«
»Euer Ehren«, sagte Jordan, »bei der Zeugin handelt es sich um das Opfer der angeblichen Straftat, für die mein Mandant mit Gefängnis gebüßt hat. Sie möchte die Sache aufklären.«
»Was völlig irrelevant ist. Es ist zu spät«, protestierte Matt.
Die Richterin blickte die Anwälte nacheinander an und wandte sich dann an die Geschworenen. »Ladies und Gentlemen, wie Sie wissen, hat die Verteidigung gestern die Beweisführung beendet. Ich erlaube Mr. McAfee dennoch, eine letzte Zeugin zu befragen.«
Jordan strich sich die Krawatte glatt und blickte zur Tür des Gerichtssaals. »Die Verteidigung ruft Catherine Marsh.«
Sie war klein und wirkte arg mitgenommen, und Jordan hatte seine Zweifel, ob sie es ohne Hilfe in den Zeugenstand schaffen würde. Doch als sie vereidigt wurde, fing sie sich und wiederholte die Worte mit sicherer, tragender Stimme.
»Wie alt sind Sie, Miss Marsh?«
»Ich bin sechzehn.«
Jordan blickte zu seinem Mandanten. »Kennen Sie Jack St. Bride?«
Zum erstenmal hatte Catherine Gelegenheit, ihren damaligen Lehrer zu sehen. Sie erwiderte Jacks Blick, und eine Geschichte hing zwischen ihnen im Raum, von Reue zerschnitten. »Ja, ich kenne ihn«, sagte sie leise.
»Woher?«
Catherine holte tief Luft. »Er ist letztes Jahr meinetwegen ins Gefängnis gekommen.«
Die Zuschauer schnappten hörbar nach Luft. »Warum sind Sie heute hier, Miss Marsh?«
»Weil.« Catherine blickte auf ihre ineinander gekrallten Hände. »Ich habe es beim letzten Mal geschehen lassen, und ich werde nicht tatenlos zusehen, wie es wieder passiert.«
»Was meinen Sie damit?«
»Jack St. Bride hat mich nie sexuell mißbraucht. Er hat mich nie ungebührlich angefaßt. Er hat nichts Unrechtes getan. Er war der beste Lehrer, den ich je hatte … und es stimmt, daß ich mir manches mit ihm vorgestellt habe und mir gewünscht habe, daß er sich zu mir hingezogen fühlt … aber es ist nichts passiert.«
»Warum haben Sie dann zugelassen, daß er schuldig gesprochen wurde?« fragte Jordan.
Eine einzelne Träne rollte Catherines Wange hinunter, als sie einen tiefen Atemzug nahm. »Der Coach hat große Stücke auf mich gehalten, und er war nett zu mir. Ich hatte damals einen Freund und wollte zum erstenmal mit ihm schlafen, da ist der Coach mit mir zu einem Arzt gefahren, damit ich mir die Pille besorgen konnte. Er wollte nicht, aber er hat es getan, weil es so wichtig für mich war. Und als mein Freund dann mit mir Schluß gemacht hat, hab ich mir mehr als alles in der Welt gewünscht, er wäre ein bißchen mehr wie der Coach gewesen – reifer, verläßlicher, mehr wie … Jack.« Sie blickte die Geschworenen an. »Ich hab angefangen, über ihn … über uns … in meinem Tagebuch zu schreiben. Ich habe alles erfunden, so wie ich es gern gehabt hätte. Und als mein Vater die Antibabypillen entdeckt und mein Tagebuch gelesen hat – da hab ich einfach gewollt, daß es stimmt. Ich wollte glauben, was mein Vater glaubte … daß der Coach sich auch für mich interessiert, und nicht bloß umgekehrt.
Aber als ich dann alles wieder zurücknehmen wollte, war schon längst eine Riesensache daraus geworden, die ich gar nicht mehr kontrollieren konnte. Ich fühlte mich wie ein kleines Mädchen, das mit Puppen spielte, die plötzlich richtige Gefühle hatten und ein richtiges Leben, das zerstört werden konnte.« Sie senkte den Blick. »Mein Vater und die Staatsanwältin und der Richter – die haben alle gedacht, ich wollte bloß den Mann schützen, den ich liebe.« Catherine blickte wieder die Geschworenen an. »Als ich das letztemal vor Gericht die Wahrheit gesagt habe, hat mir niemand geglaubt. Bitte, glauben Sie mir jetzt.«
»Danke, Miss Marsh«, sagte Jordan. » Ihre Zeugin.«
Matt beugte sich auf seinem Stuhl vor, die Ellbogen auf den Knien, die Hände ineinander verschränkt. »Also schön«, sagte er langsam und erhob sich. »Wo waren Sie in der Nacht vom dreißigsten April auf den ersten Mai?«
»In Goffeysboro«, sagte Catherine.
»Sie waren nicht hier in Salem Falls, auf der Lichtung im Wald hinter dem Friedhof, nicht wahr?«
»Nein.«
»Dann wissen Sie also nicht, ob Gillian Duncan in jener Nacht Opfer eines
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