Die Hexenjagd von Salem Falls
zu Jack und warf dann die Hände hoch. »Verdammt noch mal. Meint ihr, ich wüßte nicht, was zwischen euch läuft? Herrje, Jack. Du schläfst in letzter Zeit so selten hier, daß ich bald fast Skrupel habe, überhaupt Miete von dir zu verlangen. Jetzt sei nicht so zimperlich und setz dich schon neben sie. Aber fangt bloß nicht an, euch zu befummeln, bevor ich nicht eine Tasse Kaffee getrunken habe, okay? Ohne seine Dosis Koffein kann ein Mann in meinem Alter so was nicht mehr verkraften.«
Addie lächelte Jack unsicher zu. »Also«, sagte er und kam sich unter Roys scharfem Blick vor wie ein Schüler. »Worüber habt ihr zwei geredet?«
»Also –«, setzte Addie an, und gleichzeitig sagte Roy: »Nichts.«
Dann bemerkte Jack neben Roys Sessel einen Eimer mit Seifenwasser und Schwamm. »Wollen Sie Ihr Auto waschen?«
Roys Miene verfinsterte sich. »Ja, tritt ruhig noch kräftig drauf, wenn ich schon am Boden liege.«
»Er hat kein Auto«, sagte Addie leise. »Du weißt schon, wegen Alkohol am Steuer.«
»Ah. Dann steht der Frühjahrsputz an?«
Roy und Addie wechselten einen Blick. »Genau«, sagte er, da ihm Jacks Erklärung sehr entgegenkam. »Ich muß die Fenster putzen. Man kann ja vor lauter Dreck kaum noch Stuart von der Kuh unterscheiden.«
»Ich übernehme das«, sagte Jack und stand auf.
»Nein!« sagten Addie und Roy wie aus einem Munde.
»Ich mach das gern. Und ich verspreche, daß ich pünktlich zur Arbeit unten bin. Ach, da fällt mir ein, unten in der Kammer steht doch eine Leiter; kann ich die nehmen?« Er ging um den Eimer herum zur Tür und öffnete sie.
Die Farbe war noch feucht, wütend und knallrot: VERSCHWINDE .
Jack berührte die Schrift mit zittrigen Fingern. »Das ist nicht das erste Mal, stimmt’s?«
»Gestern auch schon«, gab Roy zu. »Ich hab’s weggewischt, bevor du aufgestanden bist.«
»Wieso haben Sie mir das nicht gesagt?« Jack wandte sich Addie zu. »Oder du?«
»Jack … Achte einfach nicht drauf, dann hört es irgendwann von selbst auf.«
»Nein«, sagte er. »Wenn man auf so was nicht achtet, macht es einen irgendwann fertig.« Dann stürmte er zur Tür hinaus, stützte sich mit der Hand an der Wand ab und hinterließ einen Abdruck roter Farbe wie frisches Blut.
Gillian träumte, es würde an der Haustür klingeln. Sie lag im Bett, so krank, daß sie kaum die Augenlider heben konnte, aber das Klingeln hörte nicht auf. Nach einer Ewigkeit schaffte sie es, die Beine über die Bettkante zu schwingen. Sie torkelte die Treppe hinunter und riß die Tür auf. Ihr Vater stand davor mit einer Pistole in der Hand. »Gilly«, sagte er, und dann schoß er ihr mitten ins Herz.
Sie fuhr aus dem Schlaf, in Schweiß gebadet, und warf die Decke zurück. Es war noch früh am Morgen – gerade erst halb sieben –, aber sie hörte schon Stimmen von unten.
Augenblicke später schlich sie sich zur Küche. »Ich will damit nur sagen, Tom, daß ich aus gutem Grund hier in Salem Falls lebe«, sagte ihr Vater.
Er sprach mit Whitneys Dad. Gilly spähte hinein und sah Ed Abrams und Jimmy aus der Fabrik ihres Vaters. »Ich wüßte nicht, was wir dagegen unternehmen könnten«, entgegnete Tom. »Schließlich haben Sie Charlie Saxton auch nicht zu dieser Besprechung hergebeten.«
»Charlie ist jederzeit willkommen, solange er seine Dienstmarke an der Tür abgibt.«
Ed schüttelte den Kopf. »Also ich weiß nicht, Amos. Immerhin ist er bisher friedlich geblieben.«
»Wer?« fragte Gilly und trat in die Küche. Mit dem selbstbewußten Auftreten einer erwachsenen Frau goß sie sich Kaffee ein und schlang dann einen Arm um ihren Vater. »Morgen, Daddy«, sagte sie und gab ihm einen Kuß auf die Wange. »Hi, Mr. Abrams. Mr. O’Neill. Jimmy.« Die Männer brummten eine Begrüßung, wandten dann den Blick von Gillians Pyjama ab: ein Baby-Doll-T-Shirt und Boxershorts von ihrem Vater. Ein dünner Streifen rosa Haut zeigte sich zwischen Hosenbund und T-Shirt-Saum. »Wer ist bisher friedlich geblieben?«
»Und aus diesem Grund«, sagte Amos plötzlich, »aus diesem Grund müssen wir den ersten Schritt machen.« Er packte den unteren Rand des T-Shirts seiner Tochter und ballte die Faust, bis sich der Stoff straff über ihrer Brust spannte. Gilly erstarrte, hin und her gerissen zwischen Scham und der Macht, die ihr das Wissen gab, welche Faszination ihr Körper auf diese Männer ausübte.
Tom O’Neill stand auf. »Ich bin dabei.«
Ed Abrams nickte und Jimmy ebenfalls.
Amos brachte die
Weitere Kostenlose Bücher