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Die Hexenköchin: Historischer Roman (German Edition)

Die Hexenköchin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Hexenköchin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roswitha Hedrun
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dicken Mauer eingepfercht war, natürlich in steingrau. Zu welchem Zweck die Mauer? Das war eine meiner vielen Fragen, die ich niemandem zu stellen wagte, da ich ahnte, dass sie töricht waren. Es fiel mir schwer, das Leben, die Menschen, die Welt zu verstehen, denn so manches kam mir reichlich unlogisch, oft schon zum Kichern komisch vor.
Unser Kloster lebte von den hier prächtig gedeihenden Kräutern, aus denen acht der dreiundzwanzig hier lebenden Nonnen in unserem Apothekerlabor begehrte Arzneien herstellten, die reichlichen Absatz fanden. Überdies unterhielt das Kloster eine kleine Apotheker-Hochschule, die rund dreißig Adelstöchter und -söhne ausbildete, deren Gebäude jedoch zu meinem Bedauern jenseits unseres Hintertors lagen. Und diesseits jenes Tors lag einer der von mir erwähnten gravitätischen Parks, in dem ich mich mit Vorliebe aufhielt. Zugegeben, nicht nur wegen seiner Idylle, ich hoffte auch, durch das Gittertor mal einen der Studierenden erspähen zu können. Leider bisher vergeblich, da ich mich nur kurz und heimlich hier aufhalten konnte, denn es war mir untersagt, mich dem Schultor zu nähern. Ich wusste auch längst weshalb, ich sollte keinen weltlichen jungen Menschen zu Gesicht bekommen. Wäre dieser Anblick denn unsittlich? Würde er mich verderben? Ich sah dieses Verbot nicht ein. Aber ausgerechnet Magda, die mir zuweilen - ich hatte sie schon einige Male dabei entdeckt - mit Argusaugen auf meinen Spaziergängen nachschlich, legte großen Wert auf mein Einhalten dieser Anordnung. Denn ich, ihr Engelchen, hatte meine Reinheit zu bewahren, aufdass ich einst eine würdige Jesusbraut werde. Sie als einzige nämlich sah in mir keine spätere Hausfrau, vielmehr vermeinte sie, ich werde einst im Benediktinerhabit durch unser Kloster wandeln. Doch diesen Wunschtraum wird ihr Engelchen ihr mit Gewissheit nicht erfüllen. Niemals!
Allerdings werde ich auch das Ziel der anderen Nonnen, einst einem Adelshaushalt vorzustehen, nicht erfüllen können, denn dazu müsste ich schließlich zuvor heiraten, und welcher Mann begehrt schon einen Gesichtskrüppel zur Ehefrau? Diese Frage stellte sich jenen Nonnen natürlich nicht, da ihnen ja das Ausmaß meiner Verunstaltung hinter meinem Gesichtsschleier unsichtbar blieb.
Aber Tante Anna, sie kannte doch mein Gesicht, und dennoch hatte sie diesen umfangreichen Unterricht in die Wege geleitet. Warum?

    „K indchen, im Geschichtsunterricht beantwortest du mir oft die schwierigsten Fragen, wieso nicht auch im Religionsunterricht? Das macht mich traurig.“
„Weiß nicht, Schwester Magda. Wo mich doch die Worte Christi über Nächstenliebe so bewegen und mich nachhaltig beschäftigen. Wenn ich seine Worte richtig verstehe, meint er damit selbstlose, also himmlische Liebe. Ein erhebender, wahrlich christlicher Begriff. Hoffentlich kann auch ich ihn einst verwirklichen.“
Darauf strich sie mir zärtlich übers Haar: „Ich verstehe, du kleine Gesegnete, musst sicher seine Lehren erst verinnerlichen.“
„Hast du sie alle verinnerlicht? Und auch verwirklicht?“
Statt einer Antwort senkte sie ihren Blick mit undefinierbarem Lächeln zu Boden.
Niemandem im Kloster entging, dass Magda mich für ein Wunderkind hielt. Ihre vornüber geneigte Körperhaltung, das Spiegelbild ihrer übertriebenen Gottergebenheit, neigte sich in meiner Gegenwart oft noch ein wenig tiefer, da mir der Herr dieses Engelshaar und, wie ein Wunder, diese Vielsprachigkeit verliehen habe - und sie, die demütige Magda, dürfe meine Betreuerin sein. Was sie meines Erachtens nicht befugte, mich wie ein Kleinkind zu behandeln. Ich konnte kaum mein Temperament zügeln, wenn sie wieder nicht aufhören wollte, an meiner Kleidung herumzufingern und sich mit ihrer Zunge anstoßenden, feuchten Sprechweise zu entzücken: „Mein ssüssess, mein allerliebsstess Kind.“
Verdammt, ich war nicht ihr Kind und sie vor allem nicht meine Mutter!
Mein zeitweiliges Auflehnen gegen Magda resultierte nicht aus meinen Gefühlen zu ihr, denn ich mochte Magda und wusste ihre Fürsorglichkeit zu schätzen, besonders, wenn sie mich gegen Tadel anderer Nonnen verteidigte. Um Magda nicht zu kränken trug ich sogar das rosa Kleinkind-Häubchen, das sie mir sicher bis spät in die Nacht im spärlichen Schein einer Tranfunzel genäht hatte - ja, das tat ich. Und das sei jetzt hervorgehoben, ich war tatsächlich bemüht, mir meine Wutanwandlungen abzugewöhnen und mich wie eine artige Jungfer zu betragen. Was ich hilflos

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