Die Hexenköchin: Historischer Roman (German Edition)
unnachgiebig.
Daneben beschäftigte mich eine weitere Aufgabe. Eine Angelegenheit, für die ich mich als Küchenmeisterin des Gutes mitverantwortlich fühlte, und die mir sehr nahe ging. Nicht nur mir, auch Frau von Erlenrode, seit ich ihr bei unserem letzten Beratungsgespräch diese Angelegenheit unterbreitet hatte. Doch sie konnte mir dabei, wegen ihres Schwiegervaters, nicht behilflich sein, niemand konnte das, ich musste diese Aufgabe alleine bewältigen.
Es handelte sich um einen jahrelangen Missstand im Dorf. Wie ich erfahren hatte, wurden bei der täglichen Speiseausgabe an die rund zwanzig Dorfarmen stets auch zwei Portionen in das katholische Pfarrhaus getragen, eine für den Priester und eine für seine Wirtschafterin. Die tatsächlich bedürftige fünfköpfige Familie des protestantischen Priesters hingegen erhielt nichts. Das hatte mich nicht nur zutiefst empört, ich hatte auch begriffen, dass auf diese Ungerechtigkeit ein Großteil des Hasses der Erlenroder auf ihren Feudalherrn zurückzuführen war. Hinzu kam, dass die Speisen auf dem katholischen Kirchplatz verteilt wurden. Deshalb hatte ich dieser Tage den Ausgabeplatz vor die Außenhecke unseres Gutes, direkt rechts des Eingangs, verlegen lassen. Darüber hinaus beteiligte ich mich selbst jeden Mittag an der Ausgabe, wobei ich die Empfänger nicht unwirsch wie Kaspar und Erwin, sondern zuvorkommend bediente.
Das war der erste Schritt. Der zweite wurde noch gewagter, doch mein Gewissen bedeutete mir mehr als meine Anstellung auf dem Gut, die ich damit riskierte. Ich sprach eine Speiseempfängerin, von der ich wusste, dass sie Protestantin war, an: „Ich würde gerne auch in Euer Pfarrhaus Speisen schicken, aber niemand ist bisher mit Gefäßen hier erschienen, um sie abzuholen.“
Darüber erschrak sie und warnte mich flüsternd: „Nur nicht, wenn das der Feudalherr erfährt! Außerdem seid sicher auch Ihr Katholikin.“
„Vor allem bin ich Christin und handle aus Nächstenliebe. Ihr etwa nicht?“
„Doch, doch“, stammelte sie, „und Ihr sollt mich mit Agathe anreden, ich bin Witwe eines Hauers.“
„Freut mich, Agathe, ich bin Tora von Tornle. Brächtest du denn den Mut auf, von nun an täglich Speisen in euer Pfarrhaus zu bringen? Als Witwe eines Hauers wohnst du doch in seiner unmittelbaren Nähe.“
Statt einer Antwort empfing ich einen furchtsamen Blick von ihr, weshalb ich auch die anderen vor meinem Ausgabeplatz Stehenden mit einbezog: „Wenn ja, dann kommst du das nächste Mal mit entsprechend mehr Gefäßen her und sicher hilft dir jemand von diesen netten Leuten hier beim Tragen.“
Sie zuckte verstört mit den Achseln und wandte sich mit ihren eigenen gefüllten Näpfen zum Gehen. Es war nicht zu übersehen, dass den Umherstehenden der Schreck über mein Angebot ebenso in die Glieder gefahren war wie Agathe. Ich selbst ließ mir meine Erregung nicht anmerken, ich füllte weiterhin freundlich die mir hingereichten Gefäße. Und Erwin, den ich heute mit seinem Wagen ein erhebliches Stück von mir entfernt hatte aufstellen lassen, war mein in vieler Augen sicher tollkühnes Ansinnen entgangen.
Als ich hinterher unter all den katholischen oder auch scheinkatholischen Männern im Speisehaus saß, wurde mir mit Bedauern bewusst, dass sich nur einer unter ihnen befand, der meine Handlungsweise hätte verstehen können - der vielverspottete Frowin.
J ust an diesem Nachmittag passte mich am Stall, als ich gerade zu Frau Scholl und Elgrin reiten wollte, in eleganter, braun-gelber Garderobe, Herr von Kahl ab. Oh, wie hatte er sich wieder herausgeputzt, ich gewann zunehmend den Verdacht, er tat es vorwiegend, um mir zu gefallen. Denn seit einiger Zeit baumelten quer von den breiten Schultern seiner Wämser mehrfarbige Troddeln, und neuerdings schönte er sogar sein schulterlanges braunes Haar mit Glanzöl. Meinen Geschmack traf er damit allerdings nicht, ich fand ihn jetzt geschniegelt.
Nun teilte er mir erregt mit, der Baron sei bereit, mir das Haus für tausendachthundertfünfzig Mark zu überlassen. Einer Eingebung zufolge, entgegnete ich: „Für tausendachthundert würde ich es kaufen.“
Damit war Herr von Kahl absolut nicht einverstanden: „Nein, auf diese Summe will er doch nur hinaus, aber die wäre noch immer zu hoch, viel zu hoch.“
Wie sollte ich ihm beibringen, dass mir meine Eingebung den genau richtigen Preis genannt hatte, unter dem der Baron nicht verkaufen würde? Ich sagte: „Handeln ist nicht meine Art, nennt ihm
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