Die Hexenköchin: Historischer Roman (German Edition)
erziele er bestenfalls vorübergehende Erfolge, die letztendlich nur seiner Geldbörse dienten. Nun, in mir strahlte helle Wärme für meinen Patienten. Ich tat alles für ihn, was in meiner Macht stand. Bei den Dörflern versuchte ich, sein Ansehen in ein besseres Licht zu rücken, indem ich die begrüßenswerten Veränderungen in Erlenrode ihm zuschrieb, und in der Küche richtete ich seine Kost nach wie vor stets haargenau auf seine momentane Verfassung aus.
Letzteres mit deutlichem Erfolg. Er konnte sich inzwischen mit Unterstützung zweier Lakaien für kurze Zeit an seinen Esstisch führen lassen oder er warf an seinem Schreibpult einen Blick auf die Buchführung seines Gutes, die Herr von Kahl ihm nun allabendlich vorlegen musste.
Doch so erfreulich dieser Fortschritt auch war, mich blendete er nicht, denn ich konnte sehr wohl abschätzen - mehr war nicht zu erreichen. Um seinen ernsten Zustand wussten nur sein Arzt und ich, allenfalls noch der ihn öfters besuchende Priester. Eins erkannte ich allerdings besser als der Arzt, der die Kurzatmigkeit des Barons auf seine geschwächten Lungen zurückführte, mir dagegen sagte mein Gespür, dass die eigentliche Ursache dafür sein jahrelanger Kummer war, der seine Brust wie ein eherner Panzer immer unerbittlicher einzwängte. Da ich jedoch anfangs lediglich seinen Lebenswillen wieder hatte wecken und ihn anschließend mit viel Bedacht hatte aufpäppeln müssen, war mir bisher keine Möglichkeit geblieben, auch auf seine gemarterte Seele einzuwirken.
Nun aber werde ich damit beginnen. Ich werde seine Kost fortan so gestalten, dass sich sein starres Gemüt allmählich lockert, aufdass sich wieder jene von dem Landauer Bäckerehepaar erwähnte Großherzigkeit entfaltet, die einstmals seine Brust erfüllt hatte.
Kapitel 13
Ab Herbst 1559 Sanft-Mut gegen Kampf-Wut
Thurneisser zum Thurn
Einzelseite, 1551
A m Martinstag besuchten mich Frau Scholl und Elgrin, um mein neues Grundstück kennen zu lernen. Mit Frau Scholl, der Oda, war ich inzwischen per Du, und an ihre niedliche Piepsstimme hatte ich mich längst gewöhnt. Zunächst führte ich die beiden durch meinen leider schon herbstlich kahlen Garten, dessen Reiz sie sich dennoch nicht entziehen konnten, besonders nicht, als sie für eine Weile dem so traulich gluckernden und murmelnden Quellbach Lorunda lauschten. „Als sängen darin kleine Wassergeister“, meinte Oda.
Erst als es uns zu kühl wurde, führte ich ihnen mein heimeliges Fachwerkhaus von innen vor. Bis wir es uns schließlich in meiner Wohnstube gemütlich machten. Die hatte ich mit einer weinroten Polstergarnitur und hellen Kirschbaummöbeln ausgestattet, und für meine Gäste verteilte ich jetzt neben Waldbeerensaft allerlei gefüllte Gebäckschalen auf dem Tisch.
Wie ich Elgrin dann gegenübersaß, erkannte ich erst, wie sehr sie in den zurückliegenden drei Monden unter der Obhut von Oda aufgeblüht war. Die Arzneiherstellungen in Odas Labor faszinierten sie so sehr, dass sie nicht aufhören konnte, mir davon zu berichten, wobei Oda und ich mehrmals verständnisvolle Blicke tauschten.
Dann wurde es Oda wohl doch zu viel, sie unterbrach Elgrin, indem sie das Gespräch auf meine hiesige Tätigkeit lenkte, und nach einigen Äußerungen von mir erriet sie: „Hast es nicht leicht mit deinen Köchen, wie?“
„Ganz und gar nicht“, gab ich zu. „Aber bestimmt gibt es kaum einen Mann, der eine Frau als Vorgesetzte akzeptiert.“
„Umgekehrt, Tora, kaum eine Frau versteht es, sich den Respekt der Männer zu verdienen. Auch ich habe das lernen müssen, auch ich habe anfangs geglaubt, mich mit männlichem Gebaren bei ihnen durchsetzen zu müssen. Wofür man von ihnen naturgemäß verachtet, bestenfalls mitleidig belächelt wird. Es ist, als will ein Eichhörnchen eine Gruppe Bären mit seiner Körperkraft bezwingen.“
„Ich trete den Köchen mit Schneid entgegen, Oda, das kann doch nicht verkehrt sein.“
„Mit nachgeahmt männlichem oder mit weiblichem Schneid?“, traf sie mich an meiner verwundbaren Stelle und wurde dann deutlicher: „Tora, dir kann nur eins helfen, du musst endlich den Mut aufbringen, ganz Frau zu sein. Ich weiß, das verlangt einem wahrlich Mut ab und Überwindung, da sich in den letzten Jahrhunderten durch Einflößungen in uns verankert hat, wir seien schwach. Was natürlich ein Irrtum ist. Der Herrgott hat uns Frauen ebenso viele Stärken verliehen wie den Männern, und unsere gehören überwiegend der Seele an. Das
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