Die Hexenköchin: Historischer Roman (German Edition)
gefühlt, doch die war einer List der Nonnen zum Opfer gefallen. Die Nonnen hatten sie im benachbarten Lehnsdorf Vielbach an Notleidende verteilt, womit sie mich zwingen wollten, fortan in meiner Freizeit Fräuleinkleidung zu tragen. Aber diesen Gefallen erwies ich ihnen nicht, auch wenn sie die Ansicht vertraten, das Tragen der Fräuleingarderobe würde endlich mehr Weiblichkeit in mir erwecken. Mir leuchtete dieses Argument nicht ein, zumal ich von Palmatia wusste, dass wahre Weiblich- oder Männlichkeit wesensbedingt ist, was ich den Nonnen jetzt beim Frühstück auch vortrug.
„Aber eine fehlerhafte Eigenart soll man doch ändern“, hielt mir Cäcilie im freundlichen Ton entgegen, und meine Lehrerin Elisabeth unterstützte diese Aussage:
„Ja, Tora, und das würde dir mit dem häufigeren Tragen der Fräuleinkleidung leicht gelingen.“ Sie wandte sich an ihre Mitschwestern: „Ich habe euch mehrmals gesagt, ihr solltet Tora drüben in der Schule sehen, ihr könntet sie von ihren Mitschülerinnen nicht unterscheiden, so graziös und dennoch natürlich, wie sie sich dort benimmt, ganz Dame.“
„Da schau an“, kritisierte mich darauf mit ihrer Männerstimme die Priorin Notburga, was Ilse sogleich lächelnd abmilderte: „Einen Vorwurf verdienst du dafür natürlich nicht, Tora, wir wünschten nur alle, dass du dich auch hier etwas damenhafter, etwas liebenswürdiger gibst. Verdienen wir das etwa nicht?“
Was sollte ich darauf sagen, ich konnte nur verschämt unter mich blicken.
D ie Schwestern hatten so reizend auf mich eingeredet, dass ich sie nicht länger enttäuschen wollte und vom nächsten Tag an außerhalb der Küche meine Adelskleidung trug. Mir selbst erwies ich damit ebenfalls einen Gefallen, denn im Kittel war es mir in unserem schlecht beheizten Refektorium doch zu kalt gewesen.
Lag es an der Garderobe oder an meinem Bemühen, mir mein noch immer zu burschikoses Benehmen abzugewöhnen, ich konnte es nicht ermessen, jedenfalls verstand ich mich fortan mit den Schwestern von Tag zu Tag besser. Einzig Notburga bereitete mir unvermindert Schwierigkeiten, und das perfiderweise nur, wenn niemand zugegen war. Ich verstand das nicht, was machte ich in ihren Augen verkehrt? Ich verstieß doch nie gegen die Klosterordnungen, über deren Einhaltung sie als Priorin zu wachen hatte. Überhäufte sie mich eben noch mit Anerkennungen und sogar mit Komplimenten, so keifte sie mich oft schon wenig später grundlos an und erdreistete sich mitunter gar, mir im Vorbeigehen mit ihrer kräftigen Hand seitlich auf den Po zu schlagen. Wie gesagt, niemals im Beisein anderer. Keinen Klosterbewohner behandelte sie so ungerecht wie mich.
„D u hast dich täuschen lassen“, klärte mich Magda gegen Ende der Ferien auf. „Für dich war der Unterricht bisher nur deshalb einfach, weil dir deine Lehrerinnen nichts abverlangt haben, um dir Klosterkind den Umgang mit weltlichen Schülern zu erleichtern. Aber vom kommenden Halbjahr an wirst du voll in den Unterricht integriert, musst also fachbezogene Fragen beantworten und im Labor praktische Leistungen erbringen.“
„Vermutest oder weißt du das?“
Ihre Hand glitt zum Rosenkranz an ihrem Gürtel, als sie verlegen zugab: „Ich habe deine Lehrerinnen ein wenig nach dir ausgefragt und dabei diese Tatsache von ihnen erfahren.“
Darüber erschrak ich: „Es trifft also zu. Schwester Magda, du hast selbst erlebt, wie mein Verstand auf übermäßige Kopfarbeit reagiert, was soll ich jetzt nur tun?“
„Beweise deinen guten Willen“, sie streichelte mir die Wange, „und folge dem Unterricht so gut dir das ohne Überanstrengung möglich ist. Außerdem wäre es keine Schande, wenn du dann das erste Schuljahr wiederholen müsstest, du weißt sicher, dass stets nur wenige Fräulein die Mittel- oder gar die Oberstufe erreichen, das weißt du doch, ja?“
„Schon, aber gefallen kann mir das nicht. Die Küchenmeisterin und Schwester Palmatia haben mir beide geraten, mir fundierte Arzneikenntnisse zu erwerben.“
„Das wirst du, Kindchen, auch wenn es bei dir womöglich etwas länger dauert.“ Jetzt spitzte sie wieder süßlich ihre Lippen und lispelte: „Und dann, Tora - ach, ich sehe dich doch bereits in unserem Labor als Apothekernonne.“
Da dies ein Zuspruch hatte sein sollen, verbiss ich mir eine heftige Widerrede.
G uter Wille alleine reichte nicht, bereits vom ersten Schultag an bezogen mich die Lehrerinnen durch Fragen intensiv in den Unterricht mit ein. Mit wenig
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