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Die Hexenköchin: Historischer Roman (German Edition)

Die Hexenköchin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Hexenköchin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roswitha Hedrun
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mir hier oft vorgehalten wurde, ich betrüge mich allem Neuen gegenüber arglos wie ein kleines Kind. Doch diesen Vorwurf wies ich an die Nonnen zurück, denn wenn Arglosigkeit ein Fehler ist, Herrje, dann hätten sie mir eben Argwohn oder Arglist anerziehen müssen. Stimmte doch!
Auf dass mir bei meinen bevorstehenden kleinen Schulausflügen die Umgebung des Klosters schon etwas vertraut wird, schickte mich die Äbtissin neuerdings fast täglich in Begleitung einer Nonne für einige Zeit hinaus. Am ersten Tag hatte mich unmittelbar nach dem Durchtritt der Klosterpforte Angst überfallen, so heftig, dass ich zunächst außerstande gewesen war, die hier vorbeiführende, dicht belebte Landstraße zu überqueren. Die riesigen Ochsengespanne hatten mich ebenso erschreckt wie die furchteinflößend auf ihren hohen Rössern reitenden und mitunter herumbrüllenden Straßenaufseher. Auf solch ein lautes und rücksichtloses Gedränge war ich nicht gefasst gewesen, weshalb ich mich stets an meine jeweilige Begleiterin geklammert hatte. Doch je öfter ich jetzt meinen Fuß nach draußen setzte, umso sicherer wurde ich.
Heute Morgen schritt leichtfüßig in ihrer Ausgehtracht Schwester Cäcilie, die Novizenausbilderin, an meiner Seite über Wald- und Feldwege zur Zoller Hauptstadt Hechingen, für deren Besichtigung uns ein voller Tag zur Verfügung stand. Der Alltagshabit der Benediktinerinnen war grau, ihr Feiertags- und Ausgehhabit aber schwarz, apart mit weißen Akzenten abgesetzt. Daher wunderte es nicht, dass unsere Nonnen im aparten Schwarz-Weiß auffallend fröhlicher waren, geradeso wie jetzt Cäcilie. Oh doch, auch Jesusbräute sind nicht frei von Eitelkeit, einige weltliche Schwächen nisten schon noch in ihren frommen Seelen, und dafür verdienen sie meines Erachtens von niemandem einen schiefen Blick.
Nach einer dreiviertel Stunde Fußmarsch hatten wir das trutzig von Mauern und Wehrtürmen geschützte Hechingen erreicht, und bereits am Torhaus, wo Cäcilie dem Wächter unsere Klosterausweise vorzeigte, empfing uns solch beißender Fäkaliengestank, dass ich nach Luft ringen musste.
„Ich habe dich gewarnt, Tora, Stadtstraßen sind noch dicker verschmutzt als Landstraßen und riechen entsprechend schärfer“, erinnerte mich Cäcilie, und nachdem wir mit leicht angehobenen Röcken von der dicht befahrenen und -berittenen Einfallstraße abgebogen waren, ermahnte sie mich: „Jetzt verbanne endlich deinen Ekel aus dem Gesicht, oder willst du die Hechinger beleidigen?“
„Nein. Aber warum halten sie ihre Stadt denn nicht sauber?“
„Diese Frage müsstest du an die hiesigen Transport- und Haustiere richten, deren Abort nunmal die Straße ist. Du hast doch vor Augen, wie viele sich hier tummeln, nicht nur Ochsen und Pferde, auch Hühner, Gänse und, sieh dort, sogar sich genüsslich in diesem Schmutz suhlende Schweine. Aber jeden Samstagnachmittag schaufeln die Schinder den Straßenschmutz auf große Karren, transportieren ihn die Stadt hinaus und kippen ihn in Abfallgruben, damit die Bürger tags drauf trockenen Fußes ihre Kirchen erreichen können. Und heute ist eben erst Donnerstag.“
Na, schön! Als mich Cäcilie dann durch einige eng von mehrstöckigen, hübschen Wohnhäusern eingefasste Gassen lenkte, wies sie mich rechts und links auf Bäcker-, Fleischer- und Krämerläden hin, auf allerlei Werkstätten, auf einladende Gasthöfe und auch auf laute Tavernen. Währenddessen kamen wir mehrmals an singenden und spielenden Straßenmusikanten vorbei, und nach dem elften Stundenschlag vernahm ich vom Rathausplatz her einen Stadtausrufer aus voller Kehle die neuesten Nachrichten verkünden. Diese Vielfalt städtischen Lebens nahm mich derart gefangen, dass ich den hiesigen Schmutz vergaß und immer wieder einige der uns begegnenden Hechinger dankbar dafür anlächelte, dass ich durch ihre eindrucksvolle Stadt flanieren durfte. Ich staunte über die vielen Tiefbrunnen hier, vor denen stets einige Frauen anstanden, um sich mit Krügen oder Eimern ihr Wasser zu schöpfen, wozu Cäcilie allerdings bemerkte: „Zisternen spenden nur schales Wasser, Tora, nichts für unsere verwöhnten Klosterzungen. Wir besorgen uns jetzt von einem Wasserverkäufer für einen Kreuzer zwei Becher feines Quellwasser, setzen uns damit auf eine schattige Bank und verzehren unsere Brotschnitten dazu.“
Nach unserer ausgedehnten Mittagsrast besichtigten wir zwei katholische Kirchen, danach das hiesige Waisenhaus und anschließend das Spital,

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