Die Hexenköchin: Historischer Roman (German Edition)
ließ mit bemüht ruhiger und dennoch leicht bebender Stimme verlauten: „Wie mir unsere heutigen Gäste berichtet haben, sind sie von einem weiten Ritt erschöpft und hungrig. Sie mussten aus ihrer französischen Heimat fliehen, wo sie ihres lutherischen Glaubens wegen verfolgt wurden - von Katholiken. Deshalb werden wir ihnen beweisen, dass sie bei uns auf tolerante Katholiken gestoßen sind, indem wir ihnen alle Annehmlichkeiten dieses Hauses zukommen lassen.“ Während wir einen Küchenwagen anrollen hörten, fuhr die Äbtissin fort: „Die besten Speisen für unsere verehrten Gäste. Auch werde ich sie persönlich bedienen, und ich bitte Schwester Notburga sowie Tora, mir dabei zur Hand zu gehen.“
Notburga und ich erhoben uns, und als wir auf die Außentür zutraten übersetzte der Anführer seinen Leuten die Ansprache der Äbtissin. Ich teilte es ihr unauffällig mit und wies sie darauf hin, dass zwei Mann fehlten, worauf sie mir zuflüsterte: „Die bewachen nahe der vorderen Klosterpforte ihr Raubgut, das sie dorthin geschleppt haben.“
Wir deckten den Gästetisch mit Suppenschalen, Hornlöffeln und zwei Terrinen mit Hühnerbrühe, an deren Duft ich Cordonkäse sowie andere appetitanregende Zutaten erkannte - Gerlindes Hexenkunst. Den verängstigt auf ihren Hockern kauernden Nonnen servierten wir anschließend Brotschnitten und beruhigenden Lavendeltee.
Nicht lange, und eine Magd schob den zweiten Küchenwagen an, diesmal das Hauptgericht für unsere unliebsamen Gäste. Die hatten ihr pikantes Hühnersüppchen direkt aus den Terrinen gelöffelt und waren jetzt gespannt, was ihnen als nächstes geboten wird. Es waren in Ziegenbutter geschmorte Maronen, dazu Amaranthspätzle, außerdem mehrere Platten mit Lammschinken auf Fenchelsalat, und alles duftete kaum merklich nach Liebstöckel. Wenn das nicht ihre Aggressionen dämpft! Während wir den Rüpeln die Schüsseln und Platten auftrugen, wurden ihre Augen immer größer, und am Ende war der Tisch so angefüllt, als speisten hier mehr als ein Dutzend Personen. Anschließend nahmen wir wieder unsere Plätze ein und begannen nach einem unauffälligen Tischgebet Brot zu verzehren, was mir nur mit äußerster Mühe gelang. Derweil beobachtete ich die Hugenotten. Im Gegensatz zu mir speisten sie mit ausgezeichnetem Appetit, griffen ständig mit ihren verdreckten Fingern erneut zu, und ihre Zorn-Aura verlor tatsächlich an Feuer.
Jetzt befahl der drahtige Anführer zweien seiner Männer, ihre Kameraden bei der Gepäckwache abzulösen. Die stopften sich rasch noch mit beiden Händen ihren Mund voll und zogen dann mit verdrossenem Blick ab, lieber hätten sie weiter schnabuliert.
Wenige Minuten später ertönte nicht weit hinter der Außentür frivoles Männerlachen, dann Hilfeschreie einer Maid, es war die Stimme unseres Lehrmädels Marie - hörte sich an, als vergriffen sich die zwei Neuen an ihr! An der Nonnentafel brach Entsetzen aus, die Äbtissin aber eilte beherzt hinaus, ich trat gleichzeitig an den Gästetisch und forderte den Hauptmann auf: „Mein Herr, weist bitte draußen Eure Männer zurecht.“
Der brabbelte aus vollem Mund eine unverständliche Antwort, ich forderte ihn ein zweites Mal auf, seine Männer zur Ordnung zu rufen, doch er ließ sich in seinem Geschmatze nicht unterbrechen - und draußen schrie noch immer Marie. Gerade machte der Hauptmann doch Anstalten, sich zu erheben, als Maries Schreie verklangen. Wenig später schob und schubste die Äbtissin die beiden hämisch grinsenden Übeltäter zur Tür herein, die nach einem Blick auf den voll beladenen Gästetisch unverzüglich die freien Hocker zwischen ihren Kumpanen einnahmen.
Während die jetzt noch eingeschüchteteren Nonnen nicht eine Brotschnitte mehr anrühren konnten, beobachtete ich, dass die zwei hinzugekommenen Lumpen die gleichen Mengen verschlangen wie zuvor ihre Tischgenossen, denen es indessen Behagen bereitete, lautstark aus Mund und Hintern Luft abzulassen. Ekelhaft. Aber immerhin, alles an ihnen sprach jetzt für vollbäuchige Zufriedenheit.
Nun müssten sie nach Getränken verlangen, denn ihre genossenen Speisen lösten Durst aus, und auf dem Küchenwagen vor der Tür stand, wie ich vorhin erkannt und der Äbtissin wie auch Notburga mitgeteilt hatte, schläfrig machender Saft für sie bereit.
Doch wir warteten vergebens auf ihren Getränkewunsch. Vielmehr vernahm ich jetzt mit Schrecken, dass der Anführer seine Horde in Offiziersmanier für den Raub vorbereitete:
Weitere Kostenlose Bücher