Die Hexenköchin: Historischer Roman (German Edition)
immer langsameren Vorwärtskommens unsere Karawane nicht mehr erreichen kann. Ich kann mich ihr nicht mehr anschließen, damit musste ich mich abfinden. Da mich diese Tatsache lähmte, verbot ich mir bald jeden weiteren Gedanken daran. Wir müssen diese elendige Abwärtsfahrt bemeistern, nur das zählte momentan.
Vom westlichen Himmel her leuchtete es bereits kupferrot durch die Baumkronen, als sich die Beschwernisse endlich auflösten. Der Wald wurde lichter, der Weg breiter, und schließlich erreichten wir das Tal.
Ebenso abgekämpft wie erleichtert hielt ich die verschwitzten Rappen an und ließ meinen Blick schweifen. Übergossen von tiefem Rot der untergehenden Sonne wirkte das Tal noch friedlicher als vorhin vom Berggipfel aus, schon selbstzufrieden. Wie eine Belohnung für unsere zurückgelegte Strapaze. Unser Weg führte auf eine ausgebaute Ost-Weststraße, die wohl die hiesigen Siedlungen miteinander verband. Mir kam ein Gedanke - ich werde in eine Siedlung fahren und dort einen auf der Gasse spielenden Jungen bitten, mir gegen eine verlockende Belohnung vom Bäcker ein paar Semmeln zu besorgen.
Gerade lenkte ich meine Rappen auf die ausgebaute Straße, als ich rechts von mir über den Fußpfad einen keineswegs soldatisch wirkenden Franziskanermönch daherkommen sah, der eine mit scheppernden Materialien beladene Handkarre hinter sich herzog. Ich wagte es kaum zu glauben, sollte sich in diesem abgelegenen Tal ein militärfreies Mönchskloster verstecken? In meiner Freude über diese Aussicht hielt ich an, verhüllte mein Gesicht, und als mich der Franziskaner erreicht hatte, begrüßten wir uns und stellten einander vor. Er war Bruder Jonathan, und ich hatte mich nicht als Fräulein, sondern als Frau von Tornheim ausgegeben. Bevor er seinen Weg fortsetzen konnte, nahm ich allen Mut zusammen und bot ihm an, ihn zu seinem Kloster zu fahren, da mich mein Weg daran vorbeiführe.
„Sehr freundlich, gnädige Frau, aber versteht bitte . .“, hufte er unschlüssig zurück, winkte dann aber ab und nahm meine Einladung mit vielen Dankesworten an.
Nachdem er seine Karre am Heck der Kutsche befestigt hatte und zu mir hochgeklettert war, bestand er darauf, dass nun er kutschiere, da meine zarten Frauenhände von den Zügeln offensichtlich gelitten hätten. Ich gestattete es ihm nur allzu gern, er setzte die Rösser in Bewegung, und die mit Gott weiß was beladene Karre ratterte hinter uns her.
„Was führt Euch so ganz alleine in unser Auertal, Gnädigste?“, wollte er bald, nicht überraschend für mich, erfahren, womit er mich zwang, ihm eine flugs ersonnene Lügengeschichte zu servieren. Mein Mann und ich befänden uns auf Durchreise, schwindelte ich den freundlichen Mönch mit schlechtem Gewissen an. Da mein Mann jedoch heute Morgen einen ritterlichen Auftrag übernommen habe, der etwa zwei Wochen beanspruche, sollte mich unser Kutscher für diese Zeit zu unserem hier häufig von uns aufgesuchten Gasthof fahren. Auf Bruder Jonathans Frage nach dem Kutscher gab ich vor, er habe heute nach dem Mittagsmahl dermaßen über den Durst getrunken, dass ich verärgert die Fahrt alleine fortgesetzt hätte. Zu meinem Erstaunen wurde der Mönch nach dieser Erklärung verlegen, doch gleich drauf begriff ich den Grund, er roch selbst nach Alkohol. Der Weg führte uns indessen durch ein Dorf, anschließend vorbei an Viehweiden und Feldern, und erst als das Abendrot einer graublauen Dämmerung wich, überwand ich mich, unsere bis dahin etwas gezwungene Unterhaltung wieder auf meinen Aufenthalt im Auertal zu lenken. Ich sei froh, ohne meinen betrunkenen Kutscher hier angelangt zu sein, begann ich, wenngleich . . Nach einem tiefen Seufzer, der halbwegs sogar echt war, fragte ich Bruder Jonathan, ob mir sein Kloster bis zum Eintreffen meines Mannes wohl Unterkunft gewähre, da mir ohne Begleitung eine Einkehr in unserem Gasthof unangenehm sei. Darauf sog er hörbar die Luft ein und rang mehrere Augenblicke sichtlich mit sich selbst. Doch letztendlich stimmte er mit verschlungenen Redewendungen über das winzige, ärmliche Auerkloster, das meinen Ansprüchen kaum gerecht werden könne, zu. Darauf seufzte ich abermals, diesmal erleichtert und für den Mönch unhörbar - Gott hatte Erbarmen mit mir, danke!
Wenig später fuhren wir durch das Klostertor ein. Bruder Jonathan bat mich zu warten, stieg ab und eilte hinter zu den Gebäuden, die ich, obwohl ich kurz den Schleier anhob, in der Dämmerung kaum erkennen konnte. Eines aber war
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