Die Hexenköchin: Historischer Roman (German Edition)
hier?“
„Anderthalb Fahrstunden nördlich von diesem Tal, in der Kleinstadt Wolfhausen.“
Meine Stimme zitterte vor Erregung, als ich ihr vortrug: „Ich benötige neue Garderobe, Frau Hansen, aber schlichte, von dieser aufwendigen hier besitze ich genügend. Könntet Ihr mir die anfertigen?“
„Mit Vergnügen doch.“
In diesem Moment kehrte ihr Gatte zurück, der mich jetzt noch mehr als vorhin an Raimund erinnerte, wenngleich er weit größer gewachsen und auch ungelenker war, doch er strahlte die gleiche Herzlichkeit aus wie Raimund. Nachdem er die mitgebrachten Kutten in den Planwagen gelegt hatte, bat ihn seine Frau: „Komm her, Jörg, ich habe ein Fräulein kennen gelernt, es möchte sich etwas von mir schneidern lassen.“
Wir begrüßten uns, und ich erkannte erfreut, dass er ebenso sympathisch war wie seine hübsche Gattin.
„Wohnt Ihr in diesem Tal?“, wollte er von mir erfahren, „dann könnte meine Frau heute schon Eure Maße nehmen.“
Damit war ich in die Enge getrieben, doch da ich zu beiden Vertrauen fasste, begann ich, ihnen mein Geheimnis zu lüften: „So einfach liegen die Dinge leider nicht. Ich bin Gast in diesem Kloster, vorübergehender Gast. Versteht bitte, durch widrige Umstände bin ich in diese Situation geraten, aus der ich keinen Ausweg finde. Ich könnte Hilfe brauchen.“
Während dieser Erklärung hatten mich beide mit groß erstaunten Augen angeblickt und brachten mir dann solche Wärme entgegen, dass ich meine Offenheit ihnen gegenüber nicht bereute.
„Bitte, gnädiges Fräulein“, regte mich nun Herr Hansen, wie zur Untermauerung meines Vertrauens, an, „wenn wir Euch helfen können, dann tun wir das gerne.“
Darauf schilderte ich ihnen ohne große Vorgeschichte meine missliche Lage und bot ihnen am Ende als Dank für ihre Hilfe an, meine Kutsche samt Rösser gegen ihren Einspänner zu tauschen.
„Nichts überstürzen, Fräulein“, schlug mir Frau Hansen teilnahmsvoll vor, „Ihr fahrt jetzt am besten mit uns nach Hause, wo wir dann für alles eine Lösung finden werden.“
Das musste ich wegen meines noch immer rotglühenden Gesichts ablehnen und gab deshalb vor, ich müsse hier mit dem Prior noch einiges ins Reine bringen.
„Auch recht“, sagte Herr Hansen, „dann holen wir Euch in drei Tagen, wenn wir die ausgebesserten Kutten zurückbringen, hier ab, ja? Bei uns seid Ihr jedenfalls besser aufgehoben als in diesem, verzeiht, in diesem verdreckten Kloster.“
„Dafür kann ich Euch nicht genug danken!“
„Nicht der Rede wert“, winkte er freundlich ab, und seine Gattin schenkte mir bei unserer Verabschiedung ein zuversichtliches Lächeln.
W ährend der kommenden Tage war ich einfach nur glücklich - nach so vielem Kopfzerbrechen eine solch überraschende, unkomplizierte Lösung!
Das Hautbrennen klang rasch ab. Nur konnte ich nicht abschätzen, welchen Anblick ich jetzt bot. Deshalb startete ich einen Tag, bevor ich das Ehepaar Hansen erwartete, ein Exempel, ich trug keinen Schleier, als mir Bruder Sebastian mit seinen dürren Fingern das Abendbrot vorsetzte. - Erschreckt blickte er mir kurz ins Gesicht und senkte gleich drauf errötend die Lider, geradeso, als habe er eine nackte Frau erblickt. Ich war enttäuscht, diese Reaktion bot mir wenig Aufschluss. Hatte ihn nur der fehlende Schleier erschreckt oder der Anblick meines, auf welche Weise auch immer noch, entstellten Gesichts? Rot konnte die Haut nach meiner Einschätzung kaum noch sein, wohl aber noch etwas uneben. Gänzlich offen dagegen blieb für mich die Frage nach der Farbe meiner nachgewachsenen Augenbraue. Dennoch packte ich den Schleier in meine Reisetasche, mit dem womöglich verwegenen Vorsatz, ihn nie wieder zu tragen.
Es kostete mich Mühe, meiner Nervosität Herr zu werden, als ich am nächsten Vormittag die Kutsche bepackte und dann auf der Viehweide meinen Pferden das Zaumzeug anlegte, damit nachher mein Aufbruch nach Möglichkeit von den Mönchen unbemerkt vonstatten geht. Mir stand nicht der Sinn danach, ihnen zu erklären, weshalb ich nun ohne meinen angeblichen Gatten abreise.
Nachdem ich anschließend das wieder ungenießbare Mittagsmahl ins Abort gekippt hatte, legte ich im Blockhaus fünf Zehnmarkmünzen für meine zweiwöchige Beherbergung gut sichtbar zurecht, eine Summe, für die eine Köchin fünf Monde lang in der Küche schwitzen und schuften musste. Doch die Franziskaner sollten erkennen, wie viel mir ihre Gastfreundschaft bedeutet hatte.
Ungeduldig dann vor dem Kloster
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