Die Hexenmeister
und sie hat den Hexenmeister geschickt, um so etwas nicht mehr vorkommen zu lassen. Dieser Valentin wird versuchen, den Engel zu töten. Eiskalt, ohne Erbarmen. Er wird die Befehle der Hölle ausführen.«
»Ja, das kann ich akzeptieren«, sagte die Äbtissin. »Nur möchte ich Sie jetzt fragen, wer sich hinter diesem Valentin verbirgt. Was ist er denn genau?«
»Ich greife mal weit vor. Er ist ein Dämon.«
»So allgemein?«
»Noch kenne ich zu wenige Einzelheiten. Es kann auch ein gefallener Engel sein. Einer, der so mächtig sein wollte wie der Herrscher und damals zu Beginn der Zeiten bestraft wurde. Er kann aus den Tiefen der Dunkelheit gestiegen sein, um eine schreckliche Rache oder Abrechnung durchzuführen, das ist alles möglich.«
»Rache an Maria?«
»Ja.«
Die Äbtissin nickte. »Ich habe dies auch geahnt oder sah es voraus. Aber wir haben nicht nur das Problem Maria. Es gibt da noch eine junge Nonne in meinem Kloster, deren Lebensweg erschreckende Parallelen aufweist. Sie ist zwanzig und heißt Solara. Sie ist ebenso schön und ebenso blond, wie es Maria war oder noch immer ist. Und ihr Weg kann nur mit dem der Maria verglichen werden. Da stimmt einfach zuviel überein.«
»Woher wissen Sie das?« fragte Testi.
»Ich habe heute noch mit ihr gesprochen, und sie berichtete mir von ihren schrecklichen Träumen, die immer schlimmer wurden. Einzelheiten hat sie mir nicht genannt, wahrscheinlich aus Scham nicht, aber die Parallelen zu Maria sind unverkennbar.«
»Was bedeutet das?« Testi blieb am Ball.
»Daß Solara sterben wird und daß anschließend das passiert, was Signore Sinclair erwähnt hat. Sie wird wohl Kontakt mit einem Engel bekommen, ich drücke es mal so aus, und ich frage mich, ob wir das zulassen oder nicht doch etwas unternehmen sollen.«
»Dazu müßten wir mit ihr reden.«
»Das meine ich auch, Signore Testi.«
»Sie ist hier im Kloster?«
»Sicher.«
Romano schaute mich an. »Dann können wir uns doch auf den Weg machen, falls du nichts dagegen hast.«
»Einen Augenblick noch. Wir haben meines Erachtens zu wenig über den Hexenmeister gesprochen. Sind Sie über ihn informiert? Oder haben Sie die schreckliche Gestalt vielleicht gesehen?« Ich gab ihr eine kurze Beschreibung des Valentin.
Die Nonne überlegte lange, bevor sie den Kopf schüttelte. »Nein, ich habe diese Gestalt nie konkret gesehen, wenn Sie das meinen. Ich habe nur von ihm gehört. Dieser Valentin ist nach wie vor für mich eine Bedrohung, die keine konkrete Gestalt hat.«
Das hatte ich akzeptiert, ich wollte trotzdem noch weitere Informationen von der Äbtissin und erkundigte mich, was sie am Grab und mit der Erscheinung noch erlebt hatte.
»Nichts mehr. Maria warnte mich nur vor der kommenden Nacht. Sie wird die Entscheidung bringen.«
»Was Sie konkret damit gemeint haben könnte, wissen Sie nicht?« fragte Testi.
»Nein, da kann ich nur etwas annehmen oder raten. Ich gehe davon aus, daß Maria nicht mehr die bleiben wird, die sie ist. Man wird versuchen, sie zu töten.«
Romano Testi mußte lachen. »Haben Sie schon einmal versucht, einen Engel oder Schutzengel zu töten?«
»Das bestimmt nicht.«
»Ich glaube auch nicht, daß es Ihnen gelingen wird, Ehrwürdige Mutter.«
»Das kannst du nicht so hinnehmen«, warnte ich meinen Kollegen. »Den Schutz kann sie nicht mehr geben, dafür ist das beste Beispiel dein Vater gewesen. Jetzt ist auch sie sterblich. Und ich weiß sehr genau, daß dieser Hexenmeister nur darauf gewartet hat.«
»Kann sein.«
Schwester Lucia breitete die Hände aus. »Wie haben Sie sich denn entschieden, meine Herren?«
Ich gab die Antwort. »Sie sprachen von Solara und sahen schon Parallelen. Wäre es nicht günstig, wenn wir uns mit ihr unterhalten würden? Vielleicht weiß sie mehr, denn wir haben konkretere Fragen als Sie, da wir schon länger und auch intensiver mit diesem Fall beschäftigt sind. Wir könnten an gewissen Stellen nachhaken.« Die Äbtissin lächelte. »Keine Sorge, Sie brauchen mich nicht erst zu überzeugen.«
»Danke.«
Lucia stand auf. »Ich werde selbst gehen und Solara persönlich abholen. Das vermeidet Aufsehen, und Unruhe können wir jetzt nicht gebrauchen. Die Schwestern werden sowieso schon über Ihren Besuch informiert sein. Hier bleibt nichts geheim, denn auch Klostermauern sind durchlässig, manchmal zu sehr.«
Das konnte ich weder leugnen noch bestätigen. Ich wußte einfach zu wenig. Es war wohl am besten, wenn die Äbtissin die
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