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Die Himmelsleiter (German Edition)

Die Himmelsleiter (German Edition)

Titel: Die Himmelsleiter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marco Lalli
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schwarze Schreibunterlage anhob. Ein Blatt lag darunter, und mein Herz machte einen Sprung, als hätte ich die wertvolle Briefmarkensammlung des Großvaters auf dem Speicher entdeckt.
    Vorsichtig nahm ich das Papier in die Hand und hielt es mir mit vielsagendem Gesicht vor die Nase. Bell kam n äher. Der Fund hatte ihn offenbar verblüfft.
    "Ich kann Ihnen versichern, dass diese, ähm, dieses Ding vor ein paar Tagen noch nicht dort lag", sagte er wenig überzeugt.
    Ein fl üchtiger Blick genügte mir, um die Zeilen wiederzuerkennen. Es war ein Gedicht, das Altomonte seinerzeit gern und oft rezitiert hatte. Bei manch einer Gelegenheit hatte er sich in die Brust geworfen, um die eine oder andere Strophe gestelzt zu deklamieren. Es ging ums Rauchen, um das Leben und den Tod. Eine gewisse Bescheidenheit sprach daraus. Es war kein Meisterwerk, hatte aber zweifellos Witz. Irgendwie hatte es ihm gefallen.
    Bell hatte mir über die Schulter geschaut. Er runzelte die Stirn: "Das hat wohl nicht viel zu bedeuten?!"
    "Wahrscheinlich nicht." Ich dachte nach. Etwas stimmte nicht. Dann fiel es mir ein. Es war der Titel. Er war falsch. Er pa sste nicht und passte doch.

B-A-C-H
     
    Das Blatt in H änden hatte ich schon die ersten vertrauten Strophen überflogen, als ich plötzlich stockte. Hinter den fast heiteren Erinnerungen, die sich überraschend eingestellt hatten, lauerte etwas Unheimliches. Etwas, das sich versteckt, verstellt hatte, das wie ein harmloser Tourist durch die Sicherheitskontrolle meines Bewusstseins geschlendert und schon lange meinem Blick entschwunden war als der Alarm schrillte. Glücklicherweise brauchte ich die Augen nur wenige Zentimeter hinauf wandern zu lassen, um das verdächtige Objekt erneut und diesmal genauer unter die Lupe zu nehmen. Der richtige Titel hätte Erbauliche Gedanken eines Pfeifenrauchers oder so ähnlich heißen müssen. Zweifelsohne bezog sich dieses Quarendo invenietis auch auf Bach. Nur war es ein anderer Titel, er gehörte zu einem der Kanons des Musikalischen Opfers . Auf Deutsch bedeutete er: Suchet, so werdet ihr finden .
    Ich blinzelte. Mit einem Mal war ich mir nicht mehr sicher, ob das, was sich zu ereignen schien, tats ächlich geschah. Eine neue Wirklichkeit öffnete sich hinter der vermeintlichen, und plötzlich war mir, als sei ich schon durch viele solcher Türen gegangen. Doch diese Beliebigkeit währte nur einen kurzen Augenblick. Als sei ich durch irgendetwas hindurch gefallen und unsanft gelandet, blickte ich mich um. Hier in seinem geplünderten Büro spürte ich die Gegenwart Altomontes, des Toten. Aber es war eine Szene aus der Vergangenheit, die ich sah und die in mein Jetzt herüber gesickert war.
     
    Vom zweiten Stock, aus Alessandras Zimmer kommend, hatte ich bei Altomonte geklopft. Die Tür war wie üblich unverschlossen, von ihm aber fehlte jede Spur. Durch das Treppenhaus drang leises Klaviergeklimper, und ich ging hinunter in den großen Saal. Dieser nahm fast das ganze Erdgeschoß ein, wurde aber nur selten bestimmungsgemäß für Festlichkeiten, Konzerte oder den Darbietungen der hauseigenen Theatergruppe genutzt. Meistens verlor sich nur die Tischtennisplatte auf dem hochglanzpolierten Parkett, und wir hatten uns angewöhnt, dann und wann ein paar Sätze zu spielen. Wie es sich für eine musische Vereinigung gehörte, vervollständigten zwei schöne Flügel die karge Einrichtung. Stühle wurden erst bei Bedarf aufgestellt.
    Altomonte sa ß am kleinen Bechstein . Den anderen, einen großen Konzertflügel, mochte er nicht.
    Wahrscheinlich kam ich hereingest ürmt und machte eine zu laute oder dumme Bemerkung. Musik bedeutete mir damals wenig. Ich hörte das, was alle hörten, doch tat ich es vermutlich vor allem deshalb, weil das ständige Gedudel dazugehörte.
    Er machte mir ein Zeichen mir, still zu sein, und spielte weiter. Nach wenigen Takten aber entspannte er sich, drehte sich halb zu mir um und begann zu erz ählen. Während er sprach, spielte er den einen oder anderen Ton an, manchmal eine längere Passage. An diesem Tag sollte ich einiges über Bach erfahren.
    "Friedrich der Gro ße war ein großer Musikliebhaber. Er spielte selber Flöte und komponierte auch ein wenig. Ganz besonders schätzte er aber JSB." So wie er LBJ für Lyndon B. Johnson oder JFK für Kennedy sagte, sprach er auch das JSB englisch aus. "Bach war schon zu Lebzeiten eine Legende. Er war wohl schon über die Sechzig drüber, als er zum ersten Mal nach Potsdam kam.

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