Die Himmelsleiter (German Edition)
langjähriger Assistent, nimmt seinen Platz ein. Natürlich versucht er die Umstände, die zum Unfall geführt haben, und andere Merkwürdigkeiten, die nach und nach zutage treten, aufzuklären. Dabei hilft ihm Jinx, die dreiundzwanzigjährige Tochter Fullers, die eine nicht minder geheimnisvolle Rolle spielt.
Das Buch war flott geschrieben und überaus spannend, auch wenn ich noch ganz gut wusste, wie die Geschichte ausging. Es dauerte nicht lange, bis mir die Parallelen zu meiner eigenen Lage auffielen. Hatte ich noch über den genialen Wissenschaftler geschmunzelt, der bei einem mysteriösen Unfall ums Leben kommt, mich beiläufig mit Hall und Chloé mit Jinx verglichen, wurde ich schlagartig ernst, als ich an eine Stelle kam, die ich vergessen hatte. Wie schon einmal in Altomontes Büro im Europäischen Laboratorium spürte ich die Anwesenheit von etwas Fremden, von etwas, was nicht hierher gehörte.
Schon bald findet Hall eine Zeichnung. Fuller hat sie angefertigt, um ihn auf die richtige Spur zu bringen. Es sind wenige einfache, mit roter Tinte gemalte Striche, die einen Krieger darstellen, offenbar einen Griechen mit Tunika, Schwert und Helm. Achilles schreitet weit aus, vor ihm unerreichbar die Schildkröte. Beide Figuren sind mehrfach rot unterstrichen.
Schlie ßlich versteht Hall, was die Zeichnung bedeutet. Seine eigene Welt ist genauso unwirklich wie jene, die Fuller und er im Simulator geschaffen haben. Sie ist nichts anderes als eine umfassende, überaus perfekte Simulation. Das ist das, was Fuller mit seiner Zeichnung sagen wollte: "Du glaubst, du seiest wirklich und deine Geschöpfe nur Simulationen. Doch die Wirklichkeit ist längst ein Schritt weiter, denn auch deine eigene vermeintliche Wirklichkeit, ist nur simuliert. Und, wer weiß, vielleicht geht das so weiter. Wer will ausschließen, dass die nächste Wirklichkeitsebene nicht gleichfalls eine Simulation einer darüber liegenden ist und so fort?"
Der Sinn der gro ßen Weltsimulation ist schnell erklärt. Die allgegenwärtigen Meinungsforscher stellen keine bedauerliche gesellschaftliche Entgleisung dar, nur ihnen verdankt Halls Welt ihre Existenz. Seine Welt dient einzig und allein der Markt- und Meinungsforschung. Durch die Entwicklung eines eigenen Simulators, der Puppe in der Puppe, verliert sie ihre Daseinsberechtigung. Fuller, der verstanden hatte, dass er in einer Simulation lebte, musste ausgeschaltet werden. Die Obersten Macher versuchen mit allen Mitteln, den kleinen Simulator zu verhindern, um den großen zu retten. Sollte das nicht gelingen, müsste er abgeschaltet und neu konfiguriert werden. Für die Programmierer ein großer Aufwand, für Hall und die anderen der Untergang ihrer Welt.
Es stellt sich heraus, dass Jinx aus der wirklichen Wirklichkeit stammt. Sie ist die Gegenspielerin des Programmierers des eigentlichen Simulators und möchte Hall aus persönlichen Gründen in ihre Welt herüberretten. Der Große Programmierer heißt selbst Douglas Hall und hat den uns bekannten Hall nach seinem Ebenbild geschaffen. Nur ist der echte Hall grausam und böse, der andere dagegen gut und liebenswert. Jinx hat einmal den wirklichen Hall geliebt - als dieser noch gut und liebenswert war - und sieht die Chance, sich ihren Liebestraum mit dem simulierten, besseren Hall zu erfüllen.
Mit Jinx Hilfe gelingt es dem simulierten Hall schlie ßlich, aus dem Simulator zu entkommen. Kurz bevor sein Universum abgeschaltet wird, tauscht er die Identität mit dem wirklichen Douglas Hall. Es gibt ein Happy End, das den Leser nachdenklich stimmen soll. Jinx sagt: "Es wird dir hier gefallen, Doug, obwohl es vielleicht nicht ganz so drollig ist wie auf deiner Welt. Hall hatte einen Sinn für das Romantische, als er den Simulator programmierte. Die Attrappennamen wie Mittelmeer, Riviera, Pazifik, Himalaja und so weiter verraten doch immerhin sehr viel Phantasie."
Es war sp ät geworden, und die halbleere Flasche Bailey's deprimierte mich. Ich fühlte mich einsam, heruntergekommen und verwahrlost. Und dann war noch etwas. Ich zitterte. Es war nichts Auffälliges, Spektakuläres, kein Zähneklappern und kein Schaudern, das den Körper durchlaufen hätte. Meine Muskeln bewegten sich kaum, es war mehr, als stünde ich auf einer vibrierenden Plattform.
In der Minibar fand ich ein letztes Mineralwasser und trank gierig. Des Fetts und des Alkohols überdrüssig, putzte ich mir die Zähne. Vielleicht konnte ich ein paar Stunden schlafen.
IM
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