Die Himmelsleiter (German Edition)
mit den Namen der aktuellen Benutzer und der gerade bearbeiteten Tasks. So friedlich mich die grünen Buchstaben und Ziffern ansahen, so unsicher war ich mir plötzlich, ob jemals ein MONTI darunter gewesen war.
… UND REALER SEX
Es war schon lange dunkel, und ich sehnte mich fr östelnd nach etwas Warmem, als ich bei Chloé klingelte. Obwohl ich mich ein paar Minuten verspätet hatte, war sie noch nicht da. Noch bevor ich mir Sorgen über ihren Verbleib machen konnte, bog sie um die Ecke, winkte und schwenkte die Plastiktüte, die sie trug, als sei diese Erklärung für mein Warten und Rechtfertigung zugleich.
"Ich habe noch schnell eine Kleinigkeit zu Essen eingekauft." Sie war au ßer Atem.
Während Chloé kochte - es dauerte nicht lange, ich glaube, Tortellini mit Sahnesoße -, und ich sah ihr zu, kostete schon von dem Wein, den es dazu geben sollte, und genoss die Vertrautheit, die die häuslichen Verrichtungen zwischen uns schufen.
Die Wohnung bestand aus einer Vielzahl von Zimmerchen, die so klein waren, dass jedes davon nur einem einzigen Zweck diente. In einem Verschlag unter einer Dachluke standen Herd, Kühlschrank und Steinspüle, im nächsten Durchgang ein wackliger, hölzerner Tisch mit drei Stühlen. Im 'Arbeitszimmer' war gerade Platz für den Schreibtisch, auf den sich ein schwerer Holzbalken wie ein gefällter Baum senkte. Bücher und Ordner stapelten sich in Holzkisten auf dem langen Gang. In einen besonders niedrigen Raum war kunstvoll eine Art Bettkasten aus unbehandelter Kiefer eingepasst worden. Matratzen, Kissen und verschiedene Polster schufen eine gemütliche Liegewiese. Die Toilette und eine enge Dusche befanden sich unter der Treppe, die zum Speicher führte. Ein Zimmer nutzte sie als begehbaren Kleiderschrank. Es gab viele Schrägen, und die Türen waren niedrig. Nachdem ich mir zweimal den Kopf heftig angestoßen hatte, gewöhnte ich mir an, ständig geduckt zu gehen und vorsichtig umherzuspähen.
Chloé trug einen knielangen Baumwollrock und eine altmodische weiße Bluse mit unauffälligen Stickereien, die sie vielleicht auf dem Flohmarkt gekauft oder von der Großmutter geerbt haben mochte. Kaum geschminkt, vergrößerte nur ein schwacher Schatten ihre Augen. Sie ging nicht gerade in Sack und Asche, und doch stand ihr Äußeres im Widerspruch zu den damenhaften und eleganten Auftritten, die ich bisher erlebt hatte. Ich dagegen hatte mich auf einen festlichen Anlass eingestellt und sogar eine dünne Wollkrawatte umgebunden. Ein bisschen kam ich mir wie der Vater vor, der seine Tochter in der Landkommune besucht. Das schwere selbstgetöpferte Tongeschirr verstärkte den Eindruck.
Die beiden Kerzen flackerten und verbreiteten ein mehr symbolisches Licht. Sie a ß langsam, fast nachdenklich. Was ich von meinen Recherchen berichtete, schien sie kaum zu interessieren. Zerstreut meinte sie, wir könnten uns die Akte und das neue Material am nächsten Tag in Ruhe vornehmen. Dennoch wirkte sie nicht abweisend. Vielleicht bedrückte sie etwas, vielleicht hatte sie keine Lust, sich jetzt damit zu beschäftigen. Auch ich war nicht unglücklich, wenn wir den Abend mit anderen Dingen als mit endlosen Spekulationen füllten.
Als ich mein Erlebnis mit MONTI, dem Kommunikationsprogramm, schilderte, belebten sich ihre Z üge. Sie kannte das Programm und hatte selbst mehr als einmal damit gespielt. Am Anfang sei es ganz lustig, aber man käme schnell dahinter, wie es funktioniere, meinte sie, als spräche sie von einer aufziehbaren Maus. Altomonte habe jahrelang daran geschrieben, so wie andere Leute Häuser aus Streichhölzern bauten. Vielleicht habe er ursprünglich tatsächlich so etwas wie Intelligenz simulieren wollen. Später sei es einfach nur noch ein Hobby gewesen, mehr nicht.
"Das Programm wiederholt in etwa das, was man ihm sagt. Es geht dabei ganz geschickt vor, formuliert um, benutzt andere Worte, bleibt vage, um Raum f ür Unterstellungen und Projektionen zu schaffen. Ein paar Taschenspielertricks, das ist alles." Hatte ich nur mein eigenes Echo gehört und es für eine Antwort gehalten? "Das Vorgehen ähnelt jenem der Gesprächstherapie." Ich fragte mich, woher sie das wusste. "Was der Therapeut sagt, eröffnet eine ganz neue Sicht der Dinge, und doch macht er nichts anderes, als das deutlich auszusprechen, was in den Worten des Klienten bereits enthalten ist. Er hält ihm nur einen Spiegel vor." Sie sah mir tief in die Augen, und ich wünschte, ich könnte mich tatsächlich
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