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Die Himmelsmalerin

Die Himmelsmalerin

Titel: Die Himmelsmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pia Rosenberger
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schnappte. »Was war es, dreißig Silberlinge?«
    Lena legte ihm die Hand auf den Arm. »Merkst du nicht, dass er Todesangst hat?«
    Plötzlich hatte sie Mitleid mit Fredi. Klar, er hatte sie in Schwierigkeiten gebracht, aber er war auch ein verängstigter Junge ohne Eltern, der nach Ochsenscheiße stank. Mit einem Ruck ließ Kilian den Jungen los, der davonrannte, als sei der Leibhaftige hinter ihm her.
    »Puh.« Schwer atmend wischte sich Kilian den Schweiß von der Stirn.
    »Wer kann das gewesen sein?«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht. Nur, dass der Bub eine Höllenangst vor ihm hatte. Und dass es sein kann, dass er Balduin in weltlicher Kleidung nicht erkannt hat.«
    »Würdest du es ihm zutrauen?«
    Kilian sah sie wild an und nickte verbissen. »Er hasst Valentin.«
    Lena zog die Stirn kraus. »Aber warum?«
    »Frag nicht!«

35
    Kilian wandte sich um, stapfte davon und ließ Lena einfach stehen. Verdutzt trat sie einige Schritte auf die Straße und schaute hinter ihm her, während sich um sie herum Wanderer, Wagen und Karren stauten wie um ein Hindernis in einem Fluss.
    »Steh nicht rum, Kleine! Halt den Verkehr nicht auf!«, schimpfte ein Bauer von den Fildern, der eine späte Fuhre Kohlköpfe in die Stadt brachte. Während sie ihn vorbeiließ, starrten die Ochsen blöde und stampften durch den Fischbrei.
    »Das bezahlst du mir«, keifte die Fischverkäuferin, aber Lena nahm keine Notiz von ihr. Stattdessen bahnte sie sich einen Weg durch die Menge und folgte Kilian, der so konstant in Richtung des Friedhofs unterhalb der Stadtkirche ging, als würde er an Fäden gezogen. Seine blaue Silhouette tauchte in den Schatten des Südturms ein, und ihr kam ein schlimmer Verdacht.
    »Kilian!«, rief sie, aber er drehte sich nicht einmal um, sondern beschleunigte seine Schritte.
    »Warte!« Lena lief los.
    Hatten auf dem Friedhof, den die Esslinger wie alle guten Christen so nahe am Haus des Herrn wie möglich angelegt hatten, immer so viele umgekippte Grabsteine gelegen, oder herrschte nur heute solches Chaos? Lena wich einigen aus und übersprang sogar mit gerafften Röcken ein besonders verwittertes Exemplar, aber Kilian lief ihr weiter davon. Er wurde dabei immer schneller und hielt dabei genau die Richtung ein, die er auf keinen Fall einschlagen durfte. Dieser Mistkerl! Zorn erfasste sie auf die Männer, die ohne Rücksicht auf Verluste immer das taten, was sie wollten. Lionel, der einfach die Stadt verließ und sie mit dem Verdacht allein ließ, er könne Anstetters Mörder sein; Valentin, der sich nicht davon abbringen ließ, sie zu lieben; Kilian, der sie unterschwellig noch immer spüren ließ, dass er Frauen für reichlich beschränkt hielt, und dabei – dümmer ging es ja wohl nicht! – schnurstracks in sein Unglück rannte. Sie legte noch einen Schritt zu. Der Atem wurde ihr knapp und brannte in der Kehle wie Feuer. Schließlich war sie gerade auch schon Fredi hinterhergerannt. Die Seite mit den geprellten Rippen begann zu stechen. Doch kurz vor der Pforte des Dominikanerklosters hatte sie Kilian eingeholt und hielt ihn entschlossen am Ärmel fest.
    »Du darfst das nicht tun!«
    Er befreite sich mit einer unwirschen Geste und starrte sie funkelnd an. Sein Zorn schlug ihr wie eine glutrote Welle entgegen. »Lass mich!«
    Neben ihnen ragte die Fachwerkwand des Katharinenspitals in die Höhe. Eine schlanke, sorgenvergrämte Laienschwester trat aus einer Seitenpforte und begann, eine wollene Decke auszuschütteln. Mit leichter Hand und traurigem Lächeln winkte sie ihnen zu. Es war Ruth, Valentins Mutter. Lena grüßte leise und schuldbewusst zurück und wandte sich wieder an Kilian. »Es geht einfach nicht!«
    »Was ich tue, tue ich auch für sie«, sagte Kilian.
    »Sie glaubt ohnehin, dass Gott sie für irgendwelche unbekannten Sünden straft. Aber du kannst Valentin nicht befreien, indem du den Prior mit seiner Schuld konfrontierst. Er wird das niemals zugeben.«
    Kilian trat einen Stein beiseite. »Vielleicht verrät er sich. Er rechnet nicht damit, dass ich komme. Und so habe ich das Überraschungsmoment auf meiner Seite.«
    Lena schüttelte den Kopf. »Er ist viel zu klug.«
    »Was willst du damit sagen«, stieß er hasserfüllt hervor. »Dass mir seine Sandalen immer zu groß sein werden und ich ein armseliges Mönchlein bin, das sich nur in der Welt der Bücher behaupten kann?«
    »Das denkst du ja nur von dir selber«, schrie Lena.
    Abrupt drehte er sich um und ließ sie stehen. Es

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