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Die Himmelsmalerin

Die Himmelsmalerin

Titel: Die Himmelsmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pia Rosenberger
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Obrigkeit gern zänkische Weiber bestrafte. Vielleicht hoffte der Rat ja, dass sie ihren Streit begraben würden, wenn sie gemeinsam die Schmährufe der Zuschauer auszuhalten hatten. Bei diesen beiden bezweifelte Lena das. Die Kleinbäuerin Griet, die vor der Stadtmauer wohnte und dort Obst und Gemüse anbaute, und die Bäckerin Huber bezichtigten sich schon seit Jahren gegenseitig des Betrugs und der falschen Nachrede und waren sich auch am Pranger spinnefeind. Für beste Unterhaltung des Publikums war auf diese Weise allemal gesorgt.
    »Und ich sag, dass die Brotfälscherin zu leicht gewogen hat«, giftete Griet und versuchte vergeblich, ihren Kopf in Richtung ihrer Leidensgefährtin zu drehen. »Und das nehm ich nicht zurück.«
    »Altes Bettelweib!« Die Huberin bestrafte sie mit Nichtachtung und beachtete auch den halben, faulen Kohlkopf nicht weiter, der von rechts auf ihrem Bauch landete. Dort stand eine Rasselbande und warf mit allerlei Gassendreck nach den beiden Frauen. Einer bückte sich und hob etwas auf, das aussah wie ein Fladen getrockneter Ochsenscheiße.
    »Kilian«, sagte Lena leise.
    Aber er hatte ihn schon gesehen. Rücksichtslos drängte er sich durch die Menge, packte Fredi, der gerade zum Wurf ausholte, am Kragen und zerrte ihn hinter sich her zu Lena. Der Bub strampelte mit Armen und Beinen, aber Kilian hielt ihn mit einer Kraft fest, die Lena ihm gar nicht zugetraut hätte. In seinem Gesicht stand eiskalte, weiße Wut.
    »He, Fredi. Beruhig dich doch, verdammt nochmal!«, schrie Lena und wusste im selben Moment, dass sie den Fluch am nächsten Sonntag beichten musste.
    Aber der Junge kämpfte mit dem Mut der Verzweiflung. Ein Tritt landete auf Kilians Schienbein, ein zweiter in seinem Schritt.
    »Au!«, schrie er, krümmte sich und presste seine Hand auf die schmerzende Stelle. Fredi rannte davon, hatte aber nicht mit Lena gerechnet, die ihm so schnell wie der Wind folgte. Jetzt zahlte sich aus, dass sie als Kind bei den Wettrennen mit den Jungs niemals aufgegeben hatte. Doch der Gassenjunge war besser in Übung. Er schlüpfte durch die Menge wie ein Aal, flitzte zum Fischmarkt und rammte einen Schragentisch, dessen hölzerne Tischböcke unter der Tischplatte zusammenbrachen. Eine Flut glitschiger, silbrig grauer Neckarfisch ergoss sich auf den Boden und schlitterte über die gesamte Breite der Gasse. Fredi glitt aus, verlor das Gleichgewicht und stolperte. Lena hatte mehr Glück, schlängelte sich zwischen den Fischleibern hindurch, fiel auf den Bauch und packte Fredis Knöchel.
    »Hab ich dich«, stieß sie hervor und zog den strampelnden, um sich tretenden Kerl zu sich heran, während die Fische unter ihr zu Mus zerdrückt wurden. Und da war auch schon Kilian, mit dessen Hilfe sie den Bengel endgültig bändigte. Der Novize zog ihn auf die Füße und drängte ihn an eine Mauer am Rande der Handelsstraße, wo der Verkehr weiterlief, als sei nichts geschehen. Nur das Fischweib rang zeternd die Hände.
    »Und, was hast du uns zu sagen?«, fragte Kilian.
    »Ich weiß nicht, wovon ihr redet!«
    »Tu nicht so! Oder kennst du die Lena nicht mehr, die du vor zwei Wochen mit Valentin in den Weinberg gelockt hast?«
    Fredi blickte sich gehetzt um. »Was willst du wissen?«
    »Na also«, stieß Kilian zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Wer war dein Auftraggeber?«
    »Die dicke Berthe«, heulte Fredi. »Die Hur’.«
    »Wir wissen zufällig, dass sie den ganzen Tag nicht vor der Tür war«, sagte Lena leise.
    Kilian packte Fredi am Kragen und schob ihn näher an die Mauer. »Sag bloß die Wahrheit, Bengel!«
    »Der Teufel war’s«, schrie Fredi.
    Kilian lachte bitter. »Oh, der läuft für gewöhnlich nicht am helllichten Tage in Esslingen herum. Und wenn, dann tät’s garantiert knallen und stinken.«
    »Doch, ich bin mir sicher. Ein großer Mann, ganz schwarz. Mit Hut.«
    Lena stockte der Atem. Wenn Prior Balduin seine Identität durch weltliche Kleidung verborgen hatte, konnte das auf ihn zutreffen. Er war dunkelhaarig und einer der größten Männer in der Stadt. Oder hatte sich Lionel vielleicht so verkleidet? Unwillkürlich schlug sie das Kreuzzeichen.
    »Ich glaub dir nicht«, sagte Kilian leise und hob Fredi ein kleines Stück hoch. »Du lügst doch.«
    »Nein. Er war bös. Das hab ich gespürt.«
    Kilians Finger gruben sich in seine Schultern. »Aber seinen Judaslohn, den hast du trotzdem genommen.« Er drückte Fredi jetzt so eng an die Mauer, dass dieser mühsam nach Luft

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