Die Himmelsmalerin
Rotwein in hohem Bogen in seinen Tonkrug sprudelte. »Wollt Ihr mit mir … den Becher heben. Meine Tochter, sie will nicht … dass ich sauf.« Er war so betrunken, dass er die Worte kaum noch richtig aneinanderreihen konnte. Das bewirkte wohl auch, dass ihm die Eindringlinge nicht sonderbar vorkamen.
»Nein, danke!«, sagte Valentin und hielt den Hocker fest, auf dem der Mann mit den Armen ruderte.
»Scha… hicks …de!« Plötzlich sah der Alte sie aus blutunterlaufenen Augen schlau an. »Hier läuft ja allerhand Gesindel herum, Tag und Nacht. Aber ihr, ihr …« Er lachte wissend. »Ihr sucht wohl nur ein Liebesnest. Ja, ich war auch mal jung.«
Valentin merkte, dass ihm schon wieder die Röte ins Gesicht stieg, und er ärgerte sich, dass Rosi wieder einmal völlig fehl am Platze kichern musste. Widerwillig ließ sie sich von ihm fortziehen. »So einen Becher Wein hätte ich gut vertragen können«, maulte sie.
»Wenn wir geblieben wären, würde er sich sicher an uns erinnern«, sagte Valentin.
»Der doch nicht. Der ist stockbesoffen.«
Sie liefen um ein paar Ecken, durchquerten zwei Gänge mit Eichenfässern und standen vor der nächsten Tür.
»Vater?« Eine Frau rief von oben nach dem Alten, und die beiden machten, dass sie weiterkamen. Valentin ruckelte an der Tür zum nächsten Keller. Jetzt war es an ihm, sich zu wundern, denn die Tür sprang anstandslos auf.
Als er sich umsah, begann sein Herz zu klopfen. Wenn ein Keller geeignet war, um Menschen zu verstecken, dann dieser hier. Alte Weinfässer rotteten auf den Gängen vor sich hin. Ein saurer, essigartiger Geruch lag in der Luft, der von dunklen, eingetrockneten Lachen auf dem Boden ausging. An den Wänden befanden sich mit Holzgittern abgetrennte Verschläge.
»Wenn du jemanden verschwinden lassen willst, wäre das der ideale Ort.« Er leuchtete mit der Öllampe die Winkel aus. Rosi trat an die Verschläge heran und öffnete die Holztüren.
»Hier!«, sagte sie leise. Im zweiten der käfigartigen Räume lag ein blaues Haarband. Es war Lenas. Valentin bückte sich, hob es auf und roch daran. Etwas von ihrem Geruch haftete an dem Band, nach Zimt und Sonne und dem Haarwaschmittel Renatas. Auf dem Boden lag ein umgekippter, ausgetrockneter Becher. In der Ecke dunkle Flecken. Blut! Aber die Geiseln waren fort.
»Du hattest recht, Valentin«, sagte Rosi und legte ihm ihre Hand auf den Arm. »Sie waren hier.«
»Sie sind es aber nicht mehr.« Er schaute sich um. Der Keller hatte keinen Aufgang, nur eine Tür, die in den nächsten führte. Er stürzte auf sie zu und rüttelte mit aller Gewalt daran, doch es tat sich nichts, denn auf der anderen Seite war ein eiserner Riegel vorgelegt. »Verdammt!«, schrie er, polterte mit seinem gesunden Arm ans Holz und trat so fest dagegen, dass er sich den Zeh verstauchte. Doch die Tür hing fest wie aus Eisen in ihren Angeln und gab keinen Spaltbreit nach. »Lena!«, schrie er, »Kilian!«
»Schhh.« Rosi sah sich beunruhigt um. »Du weißt nicht, ob die Raufbolde hier noch irgendwo sind. Was ist, wenn hier plötzlich einer auftaucht?«
Genau das wollte er, den Schergen des fremden Ritters gegenüberstehen und kämpfen, treten, beißen, schlagen und alle unfairen Tricks anwenden, die er je gelernt hatte. Stattdessen begann er zu weinen, heiser und von stoßweisen Schluchzern unterbrochen. Rosi nahm ihn in den Arm und klopfte ihm den Rücken. »Schon gut! Wir kommen morgen wieder. Wenn nötig mit einer Axt. Du kriegst dein Mädchen und deinen Freund schon zurück.«
Valentins Tränen versiegten unter den sanften Worten, deren Bedeutung ihm fast egal war, Hauptsache, sie hörte nicht auf. Doch dann merkte er plötzlich, dass sein Körper auf Rosi zu reagieren begann. Konnte es eine größere Peinlichkeit geben? Und passend dazu, fast, als hätte sie es geahnt, biss sie ihn sanft ins Ohr und hörte nicht auf, damit zu spielen, was sich erstaunlich gut anfühlte. Sie zog ihn zu einem Stapel zerlumpter Säcke und schob ihn mit dem Rücken darauf. Wie selbstverständlich setzte sie sich breitbeinig auf ihn. Das Gefühl ihrer nackten, prallen Schenkel an seinen Hüften brachte ihn fast um.
»Lass dich einfach gehen«, flüsterte sie und löste die Flut dunkelbrauner Locken aus dem Hurentuch. Unwillkürlich vergrub er seine Hände darin. Und dann küsste sie ihn auf den Mund.
Einerseits fühlte Valentin sich mies – Was tat er da nur? –, auf der anderen Seite wollte er, dass sie auf keinen Fall damit
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