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Die Himmelsmalerin

Die Himmelsmalerin

Titel: Die Himmelsmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pia Rosenberger
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Arzt die Schiene von seinem gebrochenen Arm entfernte, hatte er versucht, mit ihm zu reden, hatte seine Gründe für den Besuch in den Kellern geschildert, wobei der Zwischenfall mit Rosi natürlich unerwähnt blieb. Zuerst hatte Thomas seinen Arm mit einer Grobheit verarztet, die gar nicht zu ihm passte, doch als die Rede auf den Keller mit den Holzverschlägen kam, hatte er ihm doch zugehört. Und jetzt war die Tür seiner Zelle seltsamerweise offen.
    Einen Moment später stand Valentin an der Pforte.
    »Aber du sollst doch … oder doch nicht?«, der Bruder Pförtner schaute ihn zweifelnd an und kratzte sich den Kopf.
    »Schhh.« Er legte einen Finger auf den Mund und lächelte Bruder Nepomuk zu, der im Laufe der nächsten Minuten mit Sicherheit vergessen würde, dass Valentin abgängig war. Dann trat er nach draußen. Die Gassen der Stadt lagen verlassen im Sonnenschein des kurzen Novembertags. Die Kapuze seiner Gugel über den Kopf geschoben, schlich sich Valentin von Straßenecke zu Straßenecke, immer in Richtung des wie ausgestorben daliegenden Fürstenfelder Pfleghofs. Hier hatte der fremde Ritter logiert, und hier hatte er sich mit Lionel getroffen. Valentin wusste, dass der verlassene Keller in dieser Gegend liegen musste, konnte aber nicht glauben, dass er zum Pfleghof gehörte. Pater Ambrosius vom Heimatkloster in Fürstenfeld würde eine solche Platzverschwendung sicher nicht zulassen, nicht bei dem Aufkommen an Wein, den das Königskloster jedes Jahr in Esslingen verarbeiten ließ. Also vielleicht nebenan? Er schaute sich die Häuser in der Heugasse an, alles Wohnstätten ehrenwerter Handwerker, Händler und Patrizier mit gepflegten, mehrstöckigen Fassaden und Dienstpersonal, das einen Weinkeller nicht verkommen lassen würde. Plötzlich schlug sich Valentin mit der Hand an die Stirn. Das Unglückshaus, natürlich! Warum war er nicht schon früher darauf gekommen? Es lag in zweiter Reihe, im Hinterhof der übernächsten Nachbarn des Pfleghofs. Eine ganze Familie armer Wollweber hatte in dem windschiefen Fachwerkhaus gewohnt. Allesamt waren sie im Frühjahr am Fieber gestorben, die Mutter, der Vater und drei kleine Kinder. Da sie keine Esslinger gewesen waren, hatte ihr Tod keine hohen Wellen geschlagen. Solche Dinge kamen vor und konnten jeden treffen. Valentin wusste nur nicht, ob das Haus inzwischen wieder vermietet war. Gehörte es nicht vielleicht sogar zu den Liegenschaften des Pfleghofs?
    Vorsichtig öffnete er das Haupttor des Vorderhauses. Die Tür quietschte so, dass es ihm ganz kalt über den Rücken lief. Was, wenn eine Magd oder ein alter Knecht daheim geblieben war und ihn erneut beim Hausfriedensbruch ertappte? Doch er begegnete keinem Menschen, durchquerte den Flur und öffnete erleichtert die Tür zum Hinterhof. Sie war offen! Zum Glück. Der Innenhof lag im Schatten. Am Haus des fremden Webers waren die Läden geschlossen und die Tür verriegelt. Vorsichtig schob er sich an der Hauswand des Vorderhauses entlang. Eine Katze nahm maunzend Reißaus, und Valentin zertrat ein Beet mit spätem Salat, bis er dem Eingang genau gegenüberstand. Nichts deutete darauf hin, dass sich in dem tristen Gebäude ein Mensch befand. Oder doch? War da nicht ein Lichtschein hinter einem der Fensterläden? Als Valentin sich tiefer in den Schatten duckte, klopfte ihm das Herz bis in die Kehle. Er war keinen Moment zu früh in Deckung gegangen, denn nur einen Herzschlag später öffnete sich die Tür, und zwei Männer traten heraus.
    »He, Kuno«, tönte es von innen. »Bring uns aus der Kirche Bescheid!«
    Die beiden machten sich über einen schmalen Gang am Haus entlang in Gegenrichtung davon. Volltreffer! Valentin hatte die Spießgesellen des Boten gefunden. Und vielleicht auch Lena und Kilian. Seine Gedanken überschlugen sich. Würde die Zeit bis zum Ende des Gottesdienstes für einen Befreiungsversuch reichen? Und was, wenn er es im Inneren des Hauses mit einer ganzen Meute an Feinden zu tun bekam? Valentin tastete nach dem Beizeisen, das er aus seinem Werkzeugkasten geholt hatte. Von einer entschlossenen Hand geführt, war das Steinmetzwerkzeug eine tödliche Waffe, und er war sich sicher, es wirksam einsetzen zu können. Er schlich über den Hof, in dem der Schatten des Haupthauses immer länger wurde, und drückte sich an die Wand des Hinterhauses. Aus dem Inneren waren zwei Stimmen zu hören.
    »Was meinst du, krepiert uns der Junge heut Nacht?«, fragte einer.
    »Dass der es so lange gemacht hat,

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